ANALYSE. Zur Bürgermeister-Wahl in Innsbruck: Warum ein Duell mit einem Freiheitlichen ganz im Sinne des grünen Amtsinhabers Georg Willi wäre.
Georg Willi muss kämpfen und hoffen: Er bemüht sich darum, bei einer Direktwahl an diesem Sonntag als Bürgermeister von Innsbruck bestätigt zu werden. Wenn, dann wird wohl nur eine Vorentscheidung fallen. Die Entscheidung wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erst bei einem Urnengang Ende April fallen. Ob sich der 64-Jährige durchsetzen wird, ist offen.
Der Grüne hatte in den vergangenen Jahren eine Gemeinderatsmehrheit gegen sich und war insofern nur begrenzt gestaltungsfähig. Abschreiben sollte man ihn jedoch nicht: Sein Glück ist, dass Wiedervereinigungsbemühungen im türkisen Lager gescheitert sind; dass es viele Bürgermeister-Kandidaten und in der studentisch geprägten Stadt relativ viele Mitte-Links-Wähler gibt. Sprich: Im ersten Wahlgang kann man unter diesen Umständen mit 20 Prozent ausscheiden und mit 25 Prozent vorne liegen – und gerade als Georg Willi auf ein größeres Potenzial bei der Stichwahl setzen.
Ideal für den Mann wäre wohl ein Duell mit dem Freiheitlichen Markus Lassenberger, dessen Partei durchaus im Geiste von Herbert Kickl agiert. Auf einem ihrer Plakate heißt es: „Es gibt viele Probleme, die gelöst werden müssen. Eines davon heißt Georg Willi.“
Das reicht vielleicht, um das Klima zu vergiften, aber kaum, um erfolgreich zu sein. In einer Stadt wie Innsbruck laufen gesellschaftliche Veränderungen zumindest ebenso schnell wie in ländlichen Gebieten, aber in eine ganz andere Richtung: Das zeigt zunächst einmal ein Blick auf die Zugehörigkeit der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der österreichischen Landeshauptstädte. Vor 50, vor 25 und vor 10 Jahren gab es vier bis fünf schwarze und blaue. Heute handelt es sich inkl. Salzburg, wo der Wechsel erst Anfang Mai stattfindet, um einen türkisen (in Eisenstadt) und einen weiteren, der rechts der Mitte verortet werden kann; der ex-freiheitliche Team Kärnten-Mann Christian Scheider in Klagenfurt nämlich.
Wien, Linz, St. Pölten, Bregenz und bald Salzburg haben einen sozialdemokratischen Bürgermeister. In Graz steht die Kommunistin Elke Kahr an der Spitze und in Innsbruck eben Willi, ein Grüner. Alles in allem kann man das zwar auch als Zeichen einer Fragmentierung der politischen Landschaft darstellen, in den Städten findet sie vor allem aber links der Mitte statt. Was einem wie Willi nur recht sein kann.
Was in urbanen Zentren möglich ist, sieht man seit einigen Jahren verstärkt: In Wien hat Dominik Wlazny (Bierpartei) bei der Bundespräsidenten-Wahl 2022 besser abgeschnitten als FPÖ-Kandidat Walter Rosenkranz. In Salzburg hat Kay-Michael Dankl groß gepunktet. In Innsbruck hat es bei der Nationalratswahl 2017 nur einen überschaubaren Sebastian Kurz-Hype gegeben: Dessen ÖVP ist von der SPÖ überholt worden, Christian Kern führte diese zumindest hier auf Platz eins. Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen erreichte in der Stadt bei der Wahl vor acht Jahren gegen den Freiheitlichen Norbert Hofer beinahe eine Zweitdrittelmehrheit (65,4 Prozent.
Was sind die Erklärungen dafür? Es kommt viel zusammen. Zum Beispiel: Ein höherer Anteil an Menschen mit höherem Bildungsstand nach formalen Kriterien. Mehr (berufliche und sonstige) Chancen. Mehr Leben etwa in dem Sinne, dass es anstelle eines bedrückenden Lokalsterbens ständig neue Angebote gibt. Mehr Freiheiten sich zu entfalten und nicht „normal“ sein zu müssen. Mehr Weltoffenheit etc. Das ist politisch alles in allem sehr, sehr günstig für politische Kräfte links der Mitte.
Die FPÖ, aber auch die ÖVP tut sich in einem solchen Umfeld zunehmend schwer. Präziser: Wenn’s gut läuft für die beiden, gewinnen sie hier weniger, wenn’s schlecht läuft, gibt’s schier keine Untergrenze für sie. Was vielleicht auch hinter der Überlegung der Bundes-Türkisen steckt, auf die Städte zu pfeifen und sich mit „Leitkultur“ und Blasmusik ganz auf einen Wettbewerb mit Freiheitlichen um ländliche Wählerinnen und Wähler zu konzentrieren.