ANALYSE. Wenn es die FPÖ bei der kommenden Nationalratswahl auf Platz eins schafft, dann vor allem aufgrund des stärkeren Zuspruchs, den sie außerhalb von Ballungsräumen erfährt.
Statistik Austria hat gerade Ergebnisse einer weiteren Befragungswelle zu sozialen Krisenfolgen veröffentlicht. Vierteljährlich nehmen mehr als 3000 18- bis 74-Jährige daran teil. Eine Sache fällt bei den Ergebnissen auf: Es gibt einen gewissen Stadt-Land-Unterschied.
Auf die Frage, wie sie die Zufriedenheit mit der finanziellen Situation ihres Haushalts zum Ausdruck bringen würden auf einer Skala von null bis zehn, wählte in Städten bzw. dicht besiedelten Gebieten ein Viertel acht, neun oder zehn, äußerte sich also sehr oder ziemlich zufrieden. In ländlichen Gebieten war die Zufriedenheit größer, handelte es sich um ein Drittel.
Das Spannende ist nun aber, dass die Bevölkerung in ländlichen Gebieten pessimistischer ist. In den kommenden zwölf Monaten werde sich die allgemeine Wirtschaftslage verschlechtern, meinen hier 67 Prozent. In den Städten tun das 60 Prozent. Dort rechnen etwas mehr Menschen mit einer Verbesserung. Oder: In Bezug auf das eigene Einkommen gehen in ländlichen Gebieten nur 13 Prozent davon aus, dass es steigen wird. In den Städten tun das mit 21 Prozent um die Hälfte mehr.
Das ist politisch relevant: Wenn die FPÖ von Herbert Kickl bei der kommenden Nationalratswahl auf Platz eins landet, dann vor allem aufgrund des Zuspruchs, den sie in weiten Teilen des ländlichen Österreich erfährt. Eine Ahnung dazu lieferte unter anderem schon die niederösterreichische Landtagswahl: Wie hier ausgeführt, triumphierten die Freiheitlichen vor allem dort, wo die Perspektiven weniger gut sind. Wo Abwanderung herrscht, Wirtshäuser zusperren und die Bevölkerung zurückgeht. Wo man zwar grundsätzlich vielleicht zufriedener ist, sich aber schwerer tut, von einer guten Entwicklung in der Zukunft auszugehen.
Da ist es für alle anderen Parteien nicht so einfach, sich zu behaupten. Grüne und Neos sind schier chancenlos. Ihre Hochburgen sind die urbanen Räume. Bei der NÖ-Wahl hat die FPÖ dort denn auch unterdurchschnittlich zugelegt, während sie es überdurchschnittlich stark taten. In Klosterneuburg etwa haben sie zusammen rund 30 Prozent erreicht. Die FPÖ kam auf nicht einmal halb so viel (12,5 Prozent).
Bei einer Nationalratswahl, die allein in Wien stattfindet, könnte Kickl kaum Kanzler werden; auch nicht mit Hilfe der ÖVP. Es könnte eher sogar SPÖ-Chef Andreas Babler von einer rot-pink-grünen Ampel träumen. Aber das ist nichts Neues und auch etwas, was in vielen Staaten feststellbar ist: Großstädte ticken politisch anders; vielleicht sogar mehr und mehr anders als ländliche Gebiete, weil diese schrumpfen, während sie pulsieren und wachsen.
In der polnischen Hauptstadt Warschau stellt die Bürgerplattform des neuen Ministerpräsidenten Donald Tusk schon länger den Bürgermeister. In Budapest mag Viktor Orbán seinen Amtssitz haben, die Stadt wird jedoch von einem Grünen (Gergely Karácsony) regiert. Orbáns Glück ist eine ländliche Mehrheit.