Eskalation mit Ansage

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ANALYSE. In der Schweiz ist bereits klar, dass in Strom-Notfall-Stufe 1 Skilifte abgestellt werden könnten. In Österreich „informiert“ ein Liftkaiser aus den Reihen der ÖVP darüber, um den Boden für einen Stadt-Land-Konflikt zu bereiten.

„Ich habe keinen Gesprächspartner gefunden, der die Lage ernst nimmt“, berichtete Ex-Kanzler Christian Kern (SPÖ) in einem Interview mit der „Kronen Zeitung“ von Unterredungen mit Vertretern „eigentlich aller Parteien außer der FPÖ“. Thema: Energiekrise. Und weiter: „Dabei stehen wir auf einer brennenden Plattform und wenn wir nicht bald anfangen zu löschen, dann wird es nicht gut ausgehen.“

Kern betont zwar, an keinem Comeback zu arbeiten, mit solchen Aussagen weckt er aber eine gewisse Nachfrage. Allein schon, dass ihm das auflagenstärkste Organ des Landes eine Doppelseite widmet, ist eine Botschaft. Ein bisschen gerät der 56-Jährige in eine Rolle wie Robert Habeck (Grüne) in Deutschland: Es gibt Leute, die dankbar darüber sind, dass wenigstens einer deutliche Worte findet. Wobei man vorsichtig sein muss: Tun das, wenn es um die Teuerung geht, nicht auch Sozialdemokraten und Freiheitliche; oder Neos in Bezug auf die Energiekrise? Hat in den vergangenen Monaten nicht Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) immer wieder vor einem Weltkrieg gewarnt? Schon, aber der Ernst der Lage ist bei weitem nicht überall angekommen. Probleme werden aufgezeigt, Konsequenzen, geschweige denn Lösungsansätze, sind rar.

In der Schweiz hat der Bundesrat, also die Regierung, nicht nur einen Gas-, sondern auch einen damit zusammenhängenden Strom-Notfallplan vorgelegt. Stufe 3 sieht vor, dass alle vier oder acht Stunden der Strom abgedreht wird für jeweils vier Stunden. Begonnen wird jedoch bei Stufe 1. Sie sieht Sparappelle an die Bevölkerung vor und – wenn das nicht ausreicht – eine Art Lockdown für bestimmte Bereiche. Stillgelegt werden könnten etwa Hallenbäder und Saunas sowie Seilbahnen und Schneekanonen.

Allein wenn man das liest, wird das Bewusstsein dafür geschärft, dass das kein normaler Winter werden könnte, um es vorsichtig zu formulieren; und dass man in anderen Ländern eher schon jetzt damit beginnt, Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen darauf vorzubereiten. In Österreich, das zu 80 Prozent abhängig ist von russischem Gas, beteuert der Wirtschaftsminister, dass wir im Winter nicht mit dicken Decken dasitzen werden. Sein Wort in Gottes Namen. Besser wäre es, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen und sich zu überlegen, was man vorsorglich tun könnte. Sicher ist sicher.

Indem in Österreich so gar nicht ausgesprochen wird, was passieren könnte, wird viel Schlimmeres heraufbeschworen. Hierzulande präsentiert die Regierung keinen Strom-Notfallplan, hierzulande lässt ein polternder Liftkaiser aus Tirol, der ÖVP-Nationalratsabgeordnete Franz Hörl, lediglich durchklingen, dass es Überlegungen gibt, Seilbahnen und Schneekanonen als energieintensive, aber nicht systemrelevante Anlagen vom Netz zu nehmen.

Die Rede von Hörl dient nicht der Sensibilisierung der Bevölkerung für den Ernst der Lage, es handelt sich vielmehr um eine Kampfansage „Alpenländer gegen den Rest“. Zitat: „Ich schaue nicht zu, wie das Wasser an mir vorbeifließt und Strom für die Stadt produziert wird, und wir sitzen im Trockenen.“ Strom, der „hier“ – im Montafon, wo Hörl anlässlich einer Seilbahneröffnung sprach – produziert werde, solle auch „hier“ verwendet werden.

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