ANALYSE. Nie wären die Voraussetzungen für eine Steuersystemreform besser gewesen. ÖVP und FPÖ wollen jedoch nichts davon wissen.
Von den Ausführungen von Erste-Group-Chef Andreas Treichl auf dem „Humanities Festival“ in Wien ist für die breite Öffentlichkeit nur ein Punkt übriggeblieben; und auch der nur zur Hälfte: Der 66-Jährige, der wohl kaum unvermögend ist, spricht sich für eine Vermögensteuer aus. Eher untergegangen ist, dass er sich parallel dazu eine geringere Progression bei der Einkommensteuer vorstellen würde.
Womit auch schon ein österreichisches Dilemma zum Ausdruck kommt: Eine Debatte über eine Steuersystemreform kann unter diesen Umständen nicht geführt werden; es geht immer nur um Be- oder Entlastungen; beides zusammen geht nicht. Und daher ist es auch schon ein Stück weit nachvollziehbar, wenn sich die designierte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zurückhaltend zu einer Erbschaftssteuer äußert oder Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) einfach nur eine Entlastung durchführen wollen – mit dem Totschlagargument, dass die Steuer- und Abgabenquote im internationalen Vergleich „zu hoch“ sei.
Besser macht es die Sache nicht. Im Gegenteil: Das Steuersystem gehört grundlegend überholt.
Besser macht es die Sache nicht. Im Gegenteil: Das Steuersystem gehört grundlegend überholt. Zu vieles ist ausgereizt, zu vieles gestrig. Zunächst einmal baut es extrem stark auf dem Faktor Arbeit auf. Was in Zeiten von anhaltender Automatisierung, Digitalisierung und Artificial Intelligence zunehmend daneben ist. Oder: Die Lohn- und Einkommensteuer wird immer mehr ausschließlich von Besserverdienenden entrichtet. Oder: Ökosteuern haben in den vergangenen Jahren an Gewicht verloren, obwohl es im Sinne des Klimaschutzes eigentlich umgekehrt sein sollte. Und so weiter und so fort.
Bei alledem kommen naturgemäß auch ideologische Gegensätze ins Spiel: Besonders ÖVP und SPÖ tun sich von ihren unterschiedlichen Zugängen her schwer, eine Steuersystemreform gemeinsam durchzuführen. Umso leichter müsste es nun für ÖVP und FPÖ sein. Aber wie gesagt, das ist nicht drinnen: Um nur ja nicht Gefahr zu laufen, auch nur irgendeine unpopuläre Belastungsdebatte auszulösen, beschränken sie sich ausschließlich auf Entlastungen – zumindest für österreichische Staatsbürger.
>> dieSubstanz.at zur Politik bekommen Sie auch per Mail. Regelmäßig. Gratis >> Zum Newsletter