Politik der leeren Bundeskassen

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ANALYSE. Eine Abwahl vor Augen tendiert die Regierung dazu, die finanziellen Verhältnisse der Länder abzusichern, die überwiegend türkis bleiben werden. Im Übrigen dürfen sie jetzt auch schon Geld für einen Heizkostenzuschuss verteilen.

Man könnte das, was die ÖVP-geführte Bundesregierung betreibt, auch als Vorsorge bezeichnen. Nach vielen Jahren muss die Volkspartei nicht nur befürchten, nach einer Wahl auf der Oppositionsbank zu landen, sondern damit vor allem auch die Kontrolle über das Finanzministerium zu verlieren. Was der Partei dann bleibt, ist die Führung in immerhin sechs von neun Ländern. Zumindest dort soll es ihr längerfristig gutgehen; darauf schaut sie.

Mehr noch als in der Corona-Pandemie ist in Bezug auf die Teuerungskrise „Koste es, was es wolle“ angesagt: Beliefen sich die Einmalzahlungen damals auf 1,4 Milliarden Euro, so sind es nun schon vor wenigen Wochen fast vier Mal mehr gewesen: Der Budgetdienst des Parlaments kam in einer Analyse dazu auf die Summe von 5,4 Milliarden Euro, die eingesetzt wurde, um Folgen der Inflation abzufedern. Allein unter Verantwortung der Bundesebene, wohlgemerkt.

Auf Treffsicherheit hat die Regierung dabei nicht weiter geachtet: Von den 5,4 Milliarden Euro gingen allein 3,7 Milliarden an „breite Bevölkerungskreise“. Problem eins: Wenn schnelle Hilfe gefragt ist, kann das gerechtfertigt sein. Auf Dauer kann das jedoch (schier) unerschwinglich werden, sofern weitere Hilfen erforderlich werden. Problem zwei: Wenn auch die Menschen, die an sich genug Geld, aber tendenziell einen größeren Energieverbrauch haben, etwas bekommen, ist das insofern verhängnisvoll, als Anreize verloren gehen, den Energieverbrauch zu reduzieren. Das könnte sich rächen: Für diesen Winter dürfte etwa die Gasversorgung gesichert sein, für den drauf folgenden scheint das jedoch ungewiss zu sein, zumal von vornherein weniger Gas aus Russland importiert werden wird.

Die finanziellen Perspektiven können der gegenwärtigen Bundesregierung jedoch egal sein. Sie muss – zum Beispiel im Sommer bei der Strompreisbremse – auf Zuruf aus St. Pölten handeln. Und sie geht jetzt sogar noch einen Schritt weiter: Angekündigt sind 50 Millionen Euro für einen neuen Wohn- und weitere 450 Millionen Euro für einen solchen Heizkostenzuschuss. Die Abwicklung wird Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) jedoch den Bundesländern überlassen. Sie dürfen sich, zugespitzt formuliert, wohltäterhaft zeigen gegenüber den Wählerinnen und Wählern. Das wird den Sozialdemokraten Peter Kaiser (SPÖ) in Kärnten genauso freuen wie Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in Niederösterreich und Wilfried Haslauer (ÖVP) in Salzburg. Die drei stehen vor einer Landtagswahl im kommenden Frühjahr.

Dem nicht genug, soll jetzt mit einem neuen Finanzausgleich ernst gemacht werden, der für mehrere Jahre gelten wird. Die sechs ÖVP- und (gerne auch) die drei SPÖ-geführten Bundesländer haben bereits klar gemacht, dass sie einen größeren Teil der Steuereinnahmen haben wollen in Zukunft. Sie seien mit stark steigenden Ausgaben konfrontiert, sagen sie. Genauso gut könnte das der Bund von sich behaupten, muss er doch die Pensionen absichern. Er schweigt jedoch. Das ist vielsagend.

Auf Bundesebene liegt die ÖVP auf Platz drei. Sie muss davon ausgehen, nach der nächsten Wahl, wann immer sie stattfinden wird, sehr viel Macht zu verlieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Volkspartei zum Beispiel auch im Jahr 2025 noch die politische Verantwortung trägt für die Bundesfinanzen, ist gering. Das ist grundsätzlich kein Anreiz für sie, darauf zu achten, dass die Verhältnisse geordnet bleiben. Sie ist – in einem parteipolitisch naheliegenden Sinne – vielmehr motiviert, die Länder nachhaltig abzusichern. Auf Bundesebene gilt quasi: Hinter ihr die Sintflut.

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