ANALYSE. Maßgebend ist Innenpolitik. Und ein staatstragender Kurz-Privatbesuch bei Orban ist daneben ebenso möglich wie eine freiheitliche Reise zu den Taliban.
Die „Taliban-Übergangsregierung“ in Afghanistan sei bisher „von keinem Land als legitime Regierung“ anerkannt worden, heißt es auf der Seite des österreichischen Außenministeriums. Aber das könnte sich ändern. Es mag islamisches Recht gelten, Frauen mögen aus dem öffentlichen Leben verbannt werden – prominente Freiheitliche arbeiten jedoch daran, Beziehungen aufzubauen.
Der afghanische TV-Sender „Tolo News“ und das dortige „Außenministerium“ freuen sich, mitteilen zu dürfen, dass „Minister“ Amir Khan Muttaqi unter anderem den ehemaligen FPÖ-Abgeordneten im Europäischen Parlament, Andreas Mölzer, sowie den ehemaligen Nationalratsabgeordneten Johannes Hübner (FPÖ) zu einem Gespräch empfangen durfte. Die FPÖ erklärt, nichts damit zu tun zu haben, das vorab informierte Außenministerium, von der Reise nach Afghanistan abgeraten zu haben.
Was bleibt sind jedoch Bilder und Botschaften: Freiheitliche adeln Taliban, machen Außenpolitik. Wie sie es vor einigen Jahren getan haben, als sie unter Führung von Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer in Moskau waren; als sie einen Freundschaftsvertrag mit der Wladimir-Putin-Partei besiegelten; und als besagter Johannes Hübner im Nationalrat die Aufhebung von Sanktionen gegen Russland beantragte, die aufgrund der Annexion der ukrainischen Krim verhängt worden waren.
Gut, könnte man jetzt einwenden, Österreich ist so oder so (laut Economist) ein „nützlicher Idiot Putins“, hat sich von Gaslieferungen abhängig gemacht und zahlt jetzt fleißig in die Kriegskasse ein. Das aber ist noch immer ein Unterschied.
Der Punkt ist, dass Außen- und Europapolitik verkommen ist und jeder macht, was er will. Verantwortliche Regierungsmitglieder spielen Innenpolitik. Zum Beispiel durch das Veto gegen einen Schengen-Beitritt Rumäniens. Das rächt sich vielfach. So ist gerade bekannt geworden, dass Rumänien – als offensichtliche Antwort darauf – die Teilnahme Österreichs an Nato-Sitzungen blockiert. So schadet man sich am Ende selbst.
Damit, dass andere auch Außenpolitik spielen, haben Bundeskanzler Karl Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) kein Problem. Nehammer überraschte jüngst in einem „Kurier“-Interview insofern, als er betonte, mit seinem Vorvorgänger Sebastian Kurz „gut abgestimmt“ zu sein. Dieser war Ende August bei Viktor Orban. Oban ließ das Treffen offiziell wirken, also mit rot-weiß-roter Fahne im Hintergrund etc. Im Hause Schallenberg gab man sich gelassen: „Sebastian Kurz kann als Privatperson treffen, wen er will“, wiegelte man auf Anfrage des „Standard“ ab.
So kann nur agieren, wer Außen- und Europapolitik, ja nationale Interessen, nicht ernst nimmt. Abgesehen davon, dass Kurz kaum zur eigenen Überraschung wie ein Staatsmann empfangen worden ist (der junge Mann checkt immer schier alles) und dass er das mit den Fahnen wohl mitbekommen hat, es also unterlassen hat, sich dieser Inszenierung zu entziehen, lässt es tief blicken, dass es Schallenberg und Regierungschef Nehammer verabsäumen, sich hier um eine Art Politikhoheit zu bemühen.
Andres ausgedrückt: Es ist nicht nur ihr Job, es ist ihre Verantwortung und damit auch Pflicht, Außen- und Europapolitik für Österreich zu betreiben. Sie können es daher nicht einfach hinnehmen, dass Leute wie Kurz, Mölzer und Hübner den Eindruck erwecken, eine eigene solche Politik für Österreich zu machen. Schon gar nicht in Zeiten, in denen die Sicherheit gefährdet ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Da gehören Grenzen unmissverständlich kommuniziert, damit „Privatpersonen“ wissen, was zu weit geht.