Spiel mit dem Öxit

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ANALYSE. Andreas Babler muss seine Vorstellungen auf den Punkt bringen. Sonst riskiert er, Kickl und eine Entwicklung zu stärken, die im schlimmsten Fall zu einem EU-Austritt führt.

Andreas Babler irrt. In der EU sei die Unzufriedenheit dort am größten, wo es besondere Ungleichgewichtige gebe, meinte er in der ORF-Pressestunde. Zumindest in Bezug auf die Mitgliedschaft bei der Europäischen Union ist diese Darstellung nicht korrekt. Es gibt kaum ein Land, in dem diese Unzufriedenheit so groß ist wie in Österreich. Und das hat vor allem mit der politischen Erzählung zu tun, dass man in Brüssel nichts zusammenbringe und dass von dort nur Übles komme. Babler läuft Gefahr, das zu verstärken.

Bei der jüngsten Eurobarometer-Erhebung wurden Bürgerinnen und Bürger gefragt, ob die EU-Mitgliedschaft ihres Landes eher wichtig oder eher unwichtig sei; oder ob sie diese neutral sehen würden. dieSubstanz.at hat den Saldowert aus den ausgewiesenen „wichtig“- und „nicht wichtig“-Angaben ermittelt. Das Ergebnis könnte als Mitgliedschaftsindex bezeichnet werden.

Maximal möglich wären 100. Das würde bedeuten, dass alle die Mitgliedschaft wichtig finden. Europaweit beträgt der Wert 57. In Litauen, Irland und Luxemburg macht er rund oder genau 80 aus. In sogenannten Krisenländern des Südens, die nach Angaben des ehemaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) in ihren Systemen kaputt seien, kann er sich ebenfalls sehen lassen: In Portugal mit 71, in Spanien mit 65, in Italien mit 49 und in Griechenland mit 41. Ok, das klingt vergleichsweise bescheiden. Jedoch: In Österreich beträgt er gerade einmal 36. Niedriger ist er nur in der Slowakei, in Bulgarien und in Tschechien (siehe Grafik).

Hierzulande finden gerade einmal 57 Prozent, die Mitgliedschaft sei wichtig. Wen wundert’s: Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bleibt dem Kurs seines Vorvorgängers Sebastian Kurz treu und vermittelt einen negativen Eindruck von der EU. Sie ist demnach zentralistisch, kümmert sich um zu viele Fragen und versagt im Asylbereich von vorne bis hinten.

FPÖ-Chef Herbert Kickl traut sich nicht, einen Öxit zu fordern, er befeuert jedoch Rufe danach. In seiner Mai-Rede meinte er etwa, „unser Österreich“ müsse „vor Übergriffen der EU“ und ihrer Gerichtsbarkeit geschützt werden. Er stellte Mitbewerber aus der Politik als Knechte dar, die vor Brüssel „knien“ und tun würden, was ihnen befohlen wird.

Und jetzt kommt Babler: Nachdem in der Pressestunde der Ausschnitt aus dem drei Jahre alten Video zu sehen war, in dem er die EU als neoliberalistisches, protektionistisches Konstrukt der übelsten Art und Weise bezeichnete und als aggressivstes militärisches Bündnis darstellte, das er je gesehen habe, meinte ORF-Redakteurin Simone Stribl, das habe sie auf FPÖ-Pressekonferenzen auch schon gehört.

Ist dieser Vergleich treffend? Babler distanzierte sich von nationalistischem „Kleingeldwaschen“ (sic!) und meinte schließlich, die EU habe ein Wohlstandsversprechen gebrochen. Das ist die Aussage, die in zahlreichen Berichten übrig blieb, also zitiert wurde. Sie pickt nun in den Köpfen sehr vieler Menschen fest. Was sie sich jetzt wohl von der EU denken werden, sofern sie sich dadurch beeinflussen lassen?

Es ist gefährlich. Auch für Babler, der betont, dass er die EU verändern möchte, dass er eine soziale Komponente stärken möchte. Problem eins: Die europäische Integration hat in Wirklichkeit natürlich einen Wohlstandsgewinn für eine breite Masse gebracht. Gerade auch in Österreich. Insofern ist die Erklärung, sie habe ein Versprechen gebrochen, bemerkenswert. Sie schreit nach einer Präzisierung.

Problem zwei: Babler spricht, wie es in Österreich üblich ist, von der EU. (Nehammer ordnete sie in seiner Rede zur Zukunft der Nation gar der Außenpolitik zu.) Damit geht auch schon eine Distanzierung einher. Das führt nicht zum gewünschten Erfolg. Die Leute werden nicht mitgenommen.

These: Wer die EU als Integrationsprozess versteht, der von 27 Mitgliedsländern bestimmt wird, der sollte anders reden. Der sollte gerade dann, wenn er etwas bewegen möchte, Österreich als Teil dieses Prozesses darstellen, in „Wir“-Form sprechen und sich sehr genau überlegen, wie er es anlegt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

Gegenüber der eigenen Bevölkerung geht es da vor allem auch um Worte. Die muss Babler finden. Es muss eine konkrete Vorstellung für Europa populär machen, die über Schlagworte wie „Konzerne“ und dergleichen hinausgeht. Sonst läuft er Gefahr, Antieuropäer zu bestätigen, die behaupten, dass die EU kaputt sei. Das sind hierzulande schon sehr viele.

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