Schlicht feig

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ANALYSE. In Bezug auf den Ukraine-Krieg schwindelt sich Österreich weiter durch, ohne sich zu positionieren. Klar, das ist nicht immer einfach. Man sollte jedoch wenigstens darum ringen.

Am Anfang stand der Zweifel, ob die Neutralität noch zeitgemäß sei. Wenige Tage, nachdem russische Truppen die Ukraine überfallen hatten, stellte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit Bedauern fest, dass sie Österreich einst von den Sowjets aufgezwungen worden sei, sprach sich Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol für einen NATO-Beitritt aus, betonte ÖVP-Wehrsprecher Friedrich Ofenauer ausdrücklich, dass über die Neutralität ernsthaft diskutiert werden müsse.

Kurz schien es, als würde man aufgrund der dramatischen Entwicklungen in Europa endlich beginnen, sich ernsthaft mit der eigenen Rolle auseinanderzusetzen. Es wäre notwendiger denn je: Bei zu vielen schwerwiegenden Fragen kann man nicht sagen, was richtig ist. Umso wichtiger ist es, dass es Leute gibt, die bei vermeintlichen Alternativlosigkeiten widersprechen, dass im besten Sinne gestritten wird. Aber sich einfach nur irgendwie durchschwindeln, ohne Debatten zu führen? Das ist einfach nur billig, schlicht feig.

Bei Gas-Lieferungen aus Russland gibt es zumindest einen ernstzunehmenden Grund, sich sehr genau zu überlegen, zu einem Boykott zu schreiten. Das trägt dazu bei, sich möglicher Folgen, die damit einhergehen würden, bewusst zu werden. Damit man allenfalls rechtzeitig handeln kann, um wirtschaftliche und soziale Probleme abzufedern und Antworten auf Populisten wie Herbert Kickl (FPÖ) parat zu haben, die hier schon eine Chance wittern, in der Wählergunst groß aufzusteigen.

Wie gesagt, das wäre ein Grund zu zögern. Im Mindesten so maßgebend scheint für Österreich jedoch zu sein, Russland und Wladimir Putin nicht zu sehr gegen sich aufzubringen. Und nach innen einen Schein von Neutralität zu wahren. Ausgesprochen wird nichts davon. Vielleicht ist auch schlechtes Gewissen dabei, geht es unter anderem doch um zutiefst innen- bzw. parteipolitische Motive: Eine deutliche Mehrheit der Wählerinnen und Wähler fordert mehr denn je, dass man sich aus Konflikten raushält. Dem wird Rechnung getragen, um diese Wählerinnen und Wähler nicht allein den Freiheitlichen zu überlassen. Auch von daher mögen Sozialdemokraten keine Selenskyj-Rede vor dem Nationalrat, reden sich Türkise gerne darauf hinaus, dass sie eh bereit dazu wären, aber halt leider nicht alle Parteien wollen.

In der EU tut sich Österreich nichts Gutes damit. Die Kommission macht Tempo im Hinblick auf eine mögliche Aufnahme der Ukraine. Von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) und zuletzt auch Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) kommen jedoch kryptische Anmerkungen dazu. Er sprach von Angeboten zur Anbindung, sie von einem langwierigen Prozess, der in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht abgeschlossen werden könne. Zwischen den Zeilen kann man natürlich das herauslesen: Die Ukraine soll nie aufgenommen werden. Aber eben nur zwischen den Zeilen: Es ist bezeichnend, dass wieder einmal nicht klipp und klar zum Ausdruck gebracht wird, was man (nicht) möchte, geschweige denn, warum man es tut.

Kein Argument dafür ist, dass man sich mit einem „Nein“ zu einem EU-Beitritt der Ukraine die Beziehungen zum Land, die Nehammer etwa durch seinen Kiew-Besuch zum Ausdruck gebracht hat, zerstören würde, dass man sich das ganze Solidaritätsgerede ersparen könnte. Es wird von Tag zu Tag ohnehin unglaubwürdiger. Umgekehrt sollte auch nicht maßgebend sein, dass man es sich nicht völlig mit Wladimir Putin verscherzen möchte: Das würde darauf hinauslaufen, seine Bemühungen zu unterstützen, Europa zu schwächen und zu spalten. Es würde bedeuten, Schuld auf sich zu nehmen.

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