ANALYSE. Aus heutiger Sicht nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich: Rechtsextreme Führungen in Frankreich und Italien. Und keine Wende in Österreich.
„Wer kann Le Pen noch stoppen?“, will die deutsche Tagesschau wissen. Es ist eher rhetorisch gemeint: Der rechtsextremen „Front“ bzw. „Rassemblement National“ und vor allem auch ihrer Chefin Marine Le Pen winken Wahlerfolge. Le Pen könnte in einem Jahr zur französischen Präsidentin gewählt werden. In Umfragen liegt sie knapp, aber stabil vor Amtsinhaber Emmanuel Macron, mit dem eine deutliche Mehrheit unzufrieden ist. Das ist „Poll of polls“ von „Politico“ zu entnehmen, wo die Werte dokumentiert werden.
Im Nachbarland Italien sind die Aussichten nicht besser: FPÖ- bzw. Herbert Kickl-Freund Matteo Salvini hat in den vergangenen zwei Jahren mit seiner „Lega“ zwar stark verloren. Im selben Ausmaß (in Prozentpunkten) gewonnen haben aber die rechtsextremen „Brüder Italiens“. Mit 19 Prozent liegen sie laut „Poll of polls“ gleichauf mit den Sozialdemokraten auf Platz zwei hinter der Lega (22 Prozent). Hält der Trend an, sind sie bald vorne. Gewählt wird spätestens 2023.
Für Europa verheißt das nichts Gutes – und auch für Österreich lassen sich mehrere Signale herauslesen: Diejenigen, die in Frankreich und Italien auf dem Sprung zur Mehrheit sind, wollen mit den bestehenden EU-Verträgen nichts anfangen; sie setzen lieber auf nationale Alleingänge und Grenzen. Deutschland bleibt damit als große, treibende Kraft der europäischen Integration, aber noch dazu ohne Angela Merkel, die im Herbst in Pension geht, allein. Außerdem: Inhaltlich gewinnt mit den Rechtsextremen auch Politik gegen Flüchtlinge im Allgemeinen und Muslime im Besonderen an Wucht.
Das ist eine „Großwetterlage“, wie sie der neuen ÖVP von Sebastian Kurz nicht missfallen muss. Im Gegenteil: Man kann sogar sagen, dass Österreich französischen und italienischen Entwicklungen zum Teil schon ebenso nahe war. 2016 war hierzulande eine FPÖ auf dem Sprung zur Macht, die vorübergehend sogar für einen EU-Austritt geworben hat; auch Flüchtlingspolitik spielte eine zentrale Rolle. Kurz hat das übernommen und wirkungsvoller in Wahlerfolge umgemünzt.
Die ÖVP stolpert derzeit von Korruptionsaffäre zu Korruptionsaffäre, das Crona-Krisenmanagement bewegt sich von Impfpanne zur nunmehrigen Verzögerung beim Grünen Pass, bei dem man eigentlich europaweit wahrgenommener Musterschüler sein wollte; türkise Umfragewerte verschlechtern sich ebenso wie die des Kanzler. Was bleibt, ist jedoch eine Mehrheit zusammen mit der FPÖ. Sprich: Gegen den Kurs, der damit einhergeht, ist allenfalls nur eine Minderheitsregierung möglich. Wesentliches würde sich damit von der Europa- bis zur Flüchtlingspolitik nicht ändern (lassen).
Zur Stärke der Rechten gehört auch eine schier internationale Schwäche von Linken bzw. Mitte-Links-Stehenden. In Deutschland spielen Sozialdemokraten erstmals in der Nachkriegsgeschichte nicht einmal eine anerkannte Rolle in der Kanzlerfrage. In Frankreich sind Sozialisten nur noch ein Schatten ihrer selbst, und in Italien befinden sie sich eben auch nur auf Augenhöhe mit Rechtsextremen.
In Österreich kommt die SPÖ kaum vom Fleck, hat keine Mehrheit für zentrale Anliegen wie eine „Millionärs“- oder Erbschaftssteuer – und lebt eher nur von einer Hoffnung: Dass Kurz eines Tages geht oder gegangen wird und in der ÖVP traditionelle Sozialpartnerkräfte das Ruder übernehmen, die an einem großen Interessensausgleich interessiert sind und daher wieder mit ihr zusammen regieren. Doch ob es das noch einmal geben wird? Fraglich.
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