Putin wird’s freuen

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ANALYSE. In Österreich sind die Sanktionen „nicht zu Ende kommuniziert“. Das rächt sich. Die Notwendigkeit der Maßnahmen erschließt sich eher nur einem Teil der Gesellschaft, dem sie noch dazu weniger zusetzen.

Ex-Bundeskanzler, Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) behauptete am Montagabend in der ZIB2, dass immer „deutlich formuliert“ worden sei, dass die Sanktionen gegen Russland auch für die Menschen in Österreich „schmerzhaft“ werden. Das ist nicht korrekt, um es vorsichtig auszudrücken: Es gab keine Ansprache eines Regierungsvertreters an die neun Millionen, in der das rübergekommen wäre; keine einzige.

Notwendig gewesen wäre eine solche gleich zu Beginn des Angriffskrieges und der damit einhergehenden Maßnahmen. Es hätte darum gehen müssen, die Bedeutung dieses Krieges zu vermitteln; dass das nicht nur eine Sache zwischen Moskau und Kiew, sondern etwa auch zwischen Russland und Westeuropa, unter anderem also Österreich, ist. Das hätte es erleichtert, um Verständnis für die Sanktionen zu werben und die Bereitschaft, sie mit allen Konsequenzen mitzutragen, zu stärken.

Vielleicht hat man all das unterlassen, weil man keine Diskussion riskieren wollte. Insbesondere auch über die Rolle Österreichs und die Neutralität, die laut Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) außer Streit zu stehen hat, obwohl sie laut Russland eben nicht mehr außer Streit steht (in einer Erklärung von Anfang März ist Österreich nur noch als „scheinbar neutral“ bezeichnet worden). Sehr wahrscheinlich fehlt es aber auch an Fähigkeit und Kraft, in der erforderlichen Deutlichkeit zu kommunizieren.

Das rächt sich. These: Die Sanktionen sowie die Folgen, die damit einhergehen könnten, erschließen sich eher nur Menschen, die sich zumindest ein bisschen eigenständig mit Sicherheits-, Wirtschafts- und Sozialpolitik befassen (können). Das wiederum ist überwiegend eine privilegierte Gruppe, die z.B. mit höheren Preisen tendenziell besser zurechtkommt. Eine Masse sieht die Problemlagen nur insofern bzw. erst, wenn sie sie spürbar werden. Zum Beispiel durch die Gasrechnung, die plötzlich viel höher ausfällt.

Es ist müßig, darüber zu diskutieren, wie sehr Information auch eine Holschuld ist und wie viel „Selberdenken“ erwartet werden darf. Politik hat ihre Bringschuld ignoriert. Insofern sind die Sanktionen, nicht, wie ÖVP-Wirtschaftsmann Harald Mahrer behauptet, nicht zu Ende gedacht, sondern nicht zu Ende kommuniziert.

Das kann schwer gut ausgehen, sofern „gut“ in diesem Zusammenhang überhaupt ein angemessener Begriff ist. Die Regierung beginnt nicht, Versäumtes nachzuholen, sondern bei den Sanktionen zurückzurudern. Außenminister Schallenberg hat zu Wochenbeginn der Darstellung widersprochen, dass er mit seinen EU-Kollegen über ein weiteres Paket berate und betont, dass man in Hinblick auf die Gasversorgung „mit Augenmaß vorgehen“ müsse. Heißt zwischen den Zeilen: Man darf Wladimir Putin nicht zu sehr verärgern. Was wird er sich freuen darüber, hier zeigt ein Land, wie erpressbar es ist.

Bundeskanzler Nehammer lässt sich derweil wiederum für Festspieleröffnungen entschuldigen, um darüber nachzudenken, wie Folgen der Sanktionen abgefedert werden könnten. Wobei er nie fertigwerden wird, so lange er eben nicht auch anfängt, um Zustimmung für die Sanktionen zu werben.

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