Nicht lustig

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ANALYSE. Die EU-Spitzenkandidatin der Grünen, Lena Schilling, versucht ein „Blackout“ mit Humor zu nehmen. Es geht jedoch nicht nur darum, dass Norwegen nicht der EU angehört.

Es ist sympathisch, wie Lena Schilling, Spitzenkandidatin der Grünen bei der EU-Wahl am 9. Juni, auf die Peinlichkeit reagiert: Auf einem Kongress der Partei Ende Februar von ORF-Satiriker Peter Klien für die Sendung „Gute Nacht Österreich“ darauf angesprochen, konnte sie nicht sagen, wann Norwegen den Euro bekommen hat (nie) und ob das Land Mitglied der EU ist (nein). Nachträglich versucht sie, es mit Humor zu nehmen, wie sie am Wochenende wissen ließ: Normalerweise hätte sie die richtigen Antworten natürlich gewusst, im Moment habe sie jedoch ein „totales Blackout“ gehabt: „Well, well, well.“

Das Problem ist, dass es um viel mehr geht. Die Grünen haben beschlossen, mit der Klimaaktivistin in die EU-Wahl zu ziehen. Sie besetzt damit ein Thema, das grundsätzlich ganz wesentlich ist. Genauer: Sie steht für eine Kernkompetenz der Partei. Außerdem ist sie eine Quereinsteigerin. Sie kann noch nicht als das betrachtet werden, was gemeinhin als Berufspolitikerin bezeichnet wird. Das sind durchaus zwei Assets. Bei sehr vielen Wählerinnen und Wählern sind Berufspolitiker:innen unten durch (was nebenbei auch eine (!) Erklärung für den Erfolg von Dominik Wlazny ist). Und Klima ist eben etwas „Grünes“, was durch Schilling glaubwürdig besetzt wird.

Dennoch wird durch ihr „Blackout“ deutlich, welches Risiko die Grünen hier gerade in Zeiten wie diesen eingehen: Europäische Demokratien sowie die europäische Integration werden grundsätzlich von innen und von außen gefährdet. Von innen durch Rechte wie AfD und FPÖ, von außen durch Wladimir Putin und möglicherweise bald wieder Donald Trump.

Dem muss man maximal Mögliches entgegenhalten. Zum Beispiel eine Spitzenkandidatin oder einen Spitzenkandidaten, die oder der substanziell proeuropäisch ist. Anders formuliert: Im Moment geht es nicht so sehr um die Frage, ob es mehr oder weniger (notwendige) europäische Klimapolitik geben soll, sondern ob die EU in wenigen Jahren überhaupt noch zu einer solchen in der Lage ist.

In Österreich gibt es sehr viele Menschen, die der EU distanziert bis ablehnend gegenüberstehen und die im schlimmsten Fall am liebsten gar keine mehr hätten. Sie werden von der FPÖ umworben und von der ÖVP nicht ganz vernachlässigt. Karl Nehammer drängt in seinem „Plan“ jedenfalls auf eine „Refokussierung“ der Union auf Wirtschaftsfragen. Die SPÖ steht für eine sozialere Union.

Aber eine starke EU, die sich gegen Putin oder allenfalls auch Trump behaupten kann? Dem wird am ehesten Neos – auch durch den Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl, Helmut Brandstätter – gerecht. Die Grünen tun es nicht, obwohl es einem Anspruch von ihnen entsprechen müsste, den sie einst durch Vertreterinnen und Vertreter wie Johannes Voggenhuber und Ulrike Lunacek gepflegt haben – und obwohl es heute zuallererst darauf ankommen würde.

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