#Moria Warum die ÖVP grausam bleibt

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ANALYSE. Es werde nicht ohne hässliche Bilder gehen, hat Sebastian Kurz erklärt und damit hunderttausende Wähler gewonnen. Sie muss und will er jetzt um jeden Preis weiter bedienen.

Es ist nicht so, dass die Rufe, Menschen aus Moria aufzunehmen, ganz vorbeigehen an der ÖVP. Im Gegenteil, mehr schlecht als recht versucht sie, darauf zu reagieren. Zunächst ließ Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nach der Brandkatastrophe, die viele obdachlos gemacht hatte, Zelte nach Griechenland fliegen; und zwar so, dass es in möglichst allen Medien zu sehen war. Zuletzt bemühten sich er und Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) zudem, wenige Tage vor Weihnachten ein bisschen Herz zu zeigen, indem sie Kinderbetreuungsangebote vor Ort versprachen.

Das zeigt, dass die Partei von Bundeskanzler Sebastian Kurz unter Druck ist. Weniger vom Koalitionspartner, der ohnehin alles schluckt, solange es keine dezidierte Absage an eine ökologische Steuerreform gibt, sondern aus den eigenen Reihen: Besonders im Westen gibt es Bürgermeister, die darauf drängen, Geflüchtete aufzunehmen. Das können sie nicht ganz ausblenden.

Andererseits aber sollte man nicht davon ausgehen, dass Kurz seinen Widerstand aufgibt, auch nur ein paar Menschen nach Österreich zu lassen. Zum einen geht der Druck in der Partei nicht weit genug: Er wird von ein paar Schwarzen und nicht von Türkisen gemacht. Und die letzten Chefs der Schwarzen, die Landeshauptleute von Markus Wallner in Vorarlberg bis Johanna Mikl-Leitner in Niederösterreich, stellen sich wiederum nicht hinter dieses Anliegen. Sie kommen lieber weiter gut aus mit dem Kanzler und Bundesparteiobmann.

Kurz selbst will und kann sich wiederum nicht bewegen. Zu behaupten, dass er Opfer seines Erfolgs sei, wäre daneben. Für seine Wahlsiege hat er gezielt einen extrem hohen Preis bezahlt: Seine Absage an Flucht und Migration hat 2017 und 2019 mehr als 400.000 ehemalige FPÖ-Anhänger dazu gebracht, ihn zu unterstützen (und im Übrigen wohl auch viele von 160.000 Ex-BZÖ- und Stronach-Wählern). Soll heißen: Kehrt er heute nicht nur von Botschaften wie jener ab, dass die Abwehr von Flüchtlingen „nicht ohne hässliche Bilder“ gehen werde, sondern lässt auch noch ein paar Flüchtlinge nach Österreich, riskiert er, hunderttausende Wähler zu verlieren. Da gibt es keinen Spielraum.

Das ist noch nicht alles. Kurz führt eine Bewegung an, die der neuen konservativen nahekommt, die der Politikwissenschaftler Mark Lilla in Frankreich ausmacht und über die er hier in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) ausführlich geschrieben hat: Leute, die zum Teil unabhängig von der sogenannten Amtskirche mit ihren Pfarrern und Bischöfen christlich-evangelikal auftreten, die jedenfalls traditionelle Werte hochhalten und die von Migration ebenso wenig halten wie von der EU und gesellschaftlichen Entwicklungen bis hin zur Akzeptanz von gleichgeschlechtlichen Beziehungen.

Da findet sich einiges drinnen, was von Kurz betrieben wird. Und was in diesem Sinne etwa auch „sein“ Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) mit dem Gebetsabend auf parlamentarischer Bühne veranstalten ließ – durch die Kooperation mit der katholischen „Loretto“-Gemeinschaft und nicht zuletzt auch die gezielte Nicht-Einladung von Muslimen dazu: Das war Ausdruck eines fundamentalen Kulturkampfs.

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