Freundschaft verpflichtet

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ANALYSE. Das offizielle Österreich reagiert nicht wahrnehmbar auf die wachsenden Spannungen um den Kosovo, hat jedoch einen Hebel, um Druck auszuüben.

Am vergangenen Wochenende haben sich die Spannungen um den Kosovo bedrohlich zugespitzt. Das deutsche Außenamt warnte via X (Twitter) vor einer „weiteren Eskalation“. US-Außenminister Antony Blinken berichtete, mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić telefoniert zu haben, um auf die Notwendigkeit hinzuweisen, die Spannungen mit dem Kosovo zu deeskalieren.

„Wir beobachten eine große serbische Militärpräsenz entlang der Grenze zum Kosovo“, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des USA, John Kirby, laut tagesschau.de. Dazu gehöre „eine noch nie dagewesene Stationierung von serbischer Artillerie, Panzern und mechanisierten Infanterieeinheiten“.

Diese offene Kommunikation war alarmierend: Er ist ernst. Europa droht ein weiterer Krieg.

In Österreich blieb es erstaunlich ruhig. „Säbelrassen im Kosovo“, titelte die „Kronen Zeitung“, um darauf hinzuweisen, dass österreichische Bundesheersoldaten „mittendrin“ seien. Aber sonst? Zumindest öffentlich äußerten sich Außenministerium, geschweige denn Minister Alexander Schallenberg oder gar Bundeskanzler Karl Nehammer (beide ÖVP) nicht zu den jüngsten Entwicklungen. Wobei man vorsichtig sein muss. Es bedeutet nicht, dass sie zum Beispiel nicht zum Telefonhörer gegriffen haben.

Nehammer müsste Vučić jedenfalls jederzeit erreichen können, um auf ihn einzuwirken. Gemeinsam mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán hat er in den vergangenen Monaten ja eine Partnerschaft zu Migrationsfragen inszeniert. Gerne ließ er Bilder davon verbreiten. Nach Innen sollten diese signalisieren, dass er da ebenfalls eine restriktive Politik betreibt. Wie sie eben auch von autoritären Nachbarn gepflegt wird.

Die Partnerschaft mit Vučić ist jetzt eine Verpflichtung: Gerade Österreich, das sich besonders seit Sebastian Kurz als Fürsprecherin einer EU-Erweiterung um Westbalkanstaaten engagiert, hätte da ein Druckmittel, das es auf Basis „traditionell ausgezeichneter Beziehungen zu Serbien“ (Zitat Schallenberg vom heurigen Frühjahr) einsetzen könnte, um Europa vor noch Schlimmerem zu bewahren.

Es geht hier nicht zuletzt auch um eigene Sicherheitsinteressen: Seit bald einem Vierteljahrhundert engagiert man sich im Kosovo, hat das Bundesheer im Rahmen der KFOR-Mission mehrere hundert Soldaten vor Ort. Durch die geographische Nähe habe man „ein besonderes Interesse daran, dass sich der gesamte Balkan friedlich und stabil entwickelt“, heißt es ebendort.

Es gibt noch einen weiteren Grund dafür, sich zu bemühen: In Österreich leben mehr als 60.000 serbische und fast 14.000 kosovarische Staatsangehörige. Die meisten in Wien. Auch ihnen ist es wichtig, zu signalisieren, wie man die Entwicklungen sieht.

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