Verpflichtende flexible Solidarität

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ANALYSE. Asyl: Selten hat Österreich so deutlich gezeigt, dass es nicht an der Lösung von Problemen interessiert ist.

EU-Innenminister mögen sich auf verschärfte Asylverfahren verständigt haben, in Deutschland gilt das Ergebnis sogar als historisch. Österreichs Ressortchef Gerhard Karner (ÖVP) spielt das Ganze jedoch herunter: „Ich halte es für überzogen, von einem Durchbruch zu sprechen“, sagte er in einen Interview mit der Tageszeitung „Die Presse“.

Wäre ja noch schöner, wenn ein innenpolitisches Thema, mit dem sich Wähler mobilisieren lassen, weg wäre. Der neue SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler hätte das gerne: Mit den „geringeren Zahlen“ sei es kein großes mehr, meinte er in der „Presse“ vom Sonntag.

Karner sorgt im Einklang mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und als Getriebener der Freiheitlichen dafür, dass es bleibt: Vom Veto gegen einen Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien werde nicht abgewichen, lässt er beispielsweise wissen.

Gerne begründet er das immer wieder damit, dass der EU-Außengrenzschutz nicht funktioniere, ja „das System kaputt“ sei. Sonst hätte es in Österreich im vergangenen Jahr nicht 112.000 Asylanträge geben können, argumentiert er – sagt aber nicht dazu, dass das befreundete Nachbarland Ungarn Flüchtlinge durchwinkt und sehr viele von ihnen hierzulande ausschließlich registriert werden. Genauer: Den 112.000 Anträgen standen 2022 immerhin 42.500 Verfahrenseinstellungen gegenüber. Heuer handelte es sich bis Ende April bereits um 14.648 – und diese Zahl war damit schon größer als jene neuer Asylanträge. Das zeigt: Ein erheblicher Teil der Geflüchteten reist weiter. Damit hat Österreich nichts mehr zu schaffen mit ihnen. Es hat nur vorübergehend einen Akt angelegt und so für ein Plus in der Statistik gesorgt, die Karner und Seinesgleichen dann als Vorwand dient, zu behaupten, dass Härte nötig sei.

Die EU-Innenminister haben sich nun auf Asyl-Vorprüfungen an den Außengrenzen verständigt. Das ist umstritten, sollen Geflüchtete hier doch festgehalten werden. Karner reicht das nicht, er fordert „solche Asylzentren“ auch in Drittstaaten.

Im Übrigen soll es endlich zu einer Aufteilung von Geflüchteten auf die Mitgliedstaaten kommen. Wie es der damalige Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) schon vor einer halben Ewigkeit, nämlich im September 2015, gefordert hat. Und zwar in einem Maßnahmenprogramm. Zitat: Der fünfte Punkt – auch wenn es schwierig ist und manche in anderen EU-Staaten das nicht hören wollen: wir brauchen eine fairere Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Europäischen Union. Es kann nicht sein, dass einige wenige Staaten die Hauptverantwortung tragen und es in anderen Staaten pro Jahr gerade einmal ein paar Hundert Flüchtlinge gibt. Die Europäische Union ist ein Projekt der Solidarität und insofern sollte es auch in diesem Bereich Solidarität geben.“ 

Später ist Sebastian Kurz selbst davon abgegangen und Karner relativiert nun das, worauf sich die europäischen Innenminister verständigt haben: „Es gibt keinen Verteilungsschlüssel. Es gibt verpflichtende flexible Solidarität.“ Was immer das ist. Unter Umständen dies: Ungarn könnte, muss aber weiterhin keine Flüchtlinge aufnehmen. Und Österreich könnte, mag aber weiterhin keine „faire Verteilung“ haben. Sonst würde es ja weniger zu beklagen geben.

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