Und wieder „Ausländerwahlkampf“

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ANALYSE. Besonders ÖVP und FPÖ bereiten erste Themen im Hinblick auf die Wien-Wahl auf. Als nächstes liegen die jüngsten Arbeitslosenzahlen vor.

Die Worte von ÖVP-Integrationsministerin Susanne Raab vor wenigen Wochen in der „Kronenzeitung“ waren schlicht, aber vielsagend: Raab begnügte sich damit, darauf hinzuweisen, dass in Wien 52,5 Prozent der Schüler eine nicht-deutsche Umgangssprache hätten. Schon auf den Einwand der Interviewerin, dass das nichts über die Deutschkenntnisse verrate, hatte sie nichts Sinnstiftendes mehr mitzuteilen. Ihre Intention war klar: Die Zahl muss raus. Das reicht.

Und bei der Zielgruppe, um die es hier im Hinblick auf die Wiener Gemeinderatswahl im Oktober geht, wird das sehr wahrscheinlich auch der Fall sein: Mitte-Rechts-Wähler im Allgemeinen und die Viertelmillion ehemaliger FPÖ-Wähler im Besonderen, bei denen es nicht viel braucht, um sie zu einem Wechsel zu bewegen. Zu groß ist die Enttäuschung über die Ex-Obmänner Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus. Und überhaupt: Bei der Nationalratswahl hat Sebastian Kurz viele von ihnen schon einmal zur ÖVP gezogen. Das soll sich im Oktober wiederholen.

Doch zurück zum Punkt: Jahrzehntelanges, unter Jörg Haider eingeleitetes Framing, hat dazu geführt, dass für sehr viele Österreicher der Begriff „Ausländer“ ebenso negativ besetzt ist wie „Asylwerber“ (bzw. „Asylant“), „Flüchtling“ oder eben „Fremder“ bzw. „Fremdsprachiger“. Und zwar ganz allgemein, diffus: Dass ein größerer Teil der Ausländer längst aus Deutschland sind; und dass unter allen zusammen nicht nur der Anteil der Personen mit einem relativ niedrigen Bildungsstand höher ist, sondern auch der der Akademiker, steht außerhalb jeder Vorstellungskraft. Also genügt es Raab, zu sagen, dass es wirklich viele gibt, die nicht Deutsch reden. Das ist schon Gefahr, Integrationsversagen etc. Ja, das ist ein Argument, blau oder nun eben eher türkis zu wählen, weil dort das gefühlte Problem wenigstens ausgesprochen wird.

Es ist jedoch längst weitergegangen im Wien-Wahlkampf. Über die Bundespolitik greift die ÖVP mit Kurz, Innenminister Karl Nehammer und natürlich Raab die unsäglichen Angriffe von türkischen Nationalisten und Rechtextremen auf Demos von Kurden und Linken in Wien-Favoriten auf, um sie zu einem dieser bilateralen Konflikte mit der Türkei zuzuspitzen. Womit sie gleich zwei wirkungsvolle Reizwörter in den Wahlkampf bringen: Integrationsversagen und Erdogan. Die FPÖ mit ihren immer noch unbekannten Spitzenkandidaten Dominik Nepp kann da nicht mit: „Wiener haben das Recht auf Ruhe und Ordnung“, sagt er und fordert ein Demoverbot in Favoriten.

Die Grünen spielen in diesem „Ausländerwahlkampf“ ebenso keine Rolle wie die Neos. Was vielleicht sogar ein Glück für sie ist, ist ihre Position als Alternative zu Türkis-Blau doch noch immer besser als die der SPÖ. Sie befindet sich quasi zwischen den Stühlen: Einerseits hat sie spät, aber doch angefangen, sich um Integration zu bemühen. Andererseits braucht aber auch sie einen Teil der Viertelmillion Ex-FPÖ-Wähler. Ihr Versuch, sie zu umwerben, ist eine Bevorzugung von Inländern und allen Menschen, die schon länger in der Stadt leben, durch den Wien-Bonus. Das diskriminiert Zuwanderer, woher auch immer sie kommen, zumindest indirekt.

Das nächste „Ausländerwahlkampf“-Thema ist absehbar, weil es schon in der Vergangenheit immer wieder von ÖVP- und FPÖ-Vertretern hochgetragen wurde und weil es sich in der Krise noch verschärft hat: Nicht nur, dass 40 Prozent aller Arbeitslosen österreichweit in Wien leben, sondern auch 51 Prozent aller ausländischen Arbeitslosen. Klar, das ließe sich nachvollziehbar erklären. Gerade im Wahlkampf aber ist das nicht beabsichtigt.

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