Kurz redet Österreich schlecht

KOLUMNE VON LIBERO. Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz gibt den Miesmacher, um sich als Zukunftshoffnung zu profilieren. 

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KOLUMNE VON LIBERO. Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz gibt den Miesmacher, um sich als Zukunftshoffnung zu profilieren.

2015 war ein schlechtes Jahr, ließ Außenminister Sebastian Kurz aus New York wissen. Er meint dabei allerdings nicht seine Partei, die ÖVP, wie vermutet werden könnte, sondern das ganze Land. Im ZiB2-Interview relativierte er das ausdrückliche Lob von US-Präsident Barack Obama für Österreichs Leistungen bei der Bewältigung der Flüchtlingstragödie in Syrien. Das will Kurz so nicht stehen lassen. Es sei nämlich „falsch so zu tun, als wäre das letzte Jahr ein gutes gewesen“. Zu viele Menschen seien in das Land gekommen und „die Dinge sind außer Kontroller geraten“.

Kurz ist entschieden zu widersprechen: 2015 war zweifellos ein schwieriges, sehr wohl aber auch ein gutes Jahr. Als Menschen in Not vor der Türe standen, waren tausende Österreicherinnen und Österreicher spontan bereit zu helfen. Das war eine großartige humanitäre Leistung der Zivilgesellschaft, die nicht hoch genug zu schätzen ist und die hoffen lässt, dass Humanität und Solidarität von erfreulich vielen Landsleuten gelebt wird. Sie mussten nicht von der Politik aufgefordert werden, aktiv zu werden, sondern taten das aus Überzeugung und mit bewundernswertem Einsatz. Sie wurden freilich von einer konfusen Politik zermürbt, die mit so viel Hilfsbereitschaft nicht mithalten konnte. Von einer angstgetriebenen Politik, die auf ihren eigenen Populismus hereinfällt und unentwegt Probleme herbeiredet, ohne sie zu lösen.

Sebastian Kurz pflegt das Flüchtlingsproblem und arbeitet dabei mit allerlei semantischen Tricks. „Das letzte Jahr darf nicht verherrlicht werden“, lehnt er in besagtem Interview etwas ab, was niemand tut. Wer halbwegs bei Sinnen ist, wird die humanitäre Katastrophe im Nahen Osten als solche benennen und die Herausforderungen für Europa nicht bestreiten. Die Hilfsbereitschaft vieler Menschen zu würdigen, ist hingegen sehr wohl angebracht. Das hat Obama getan, schafft Kurz aber nicht. Es passt nicht in sein Negativkonzept.

Das Publikum soll sich über angebliche Anfeindungen empören.

Zwar nimmt er das Lob des US-Präsidenten an, um es sogleich als späte Wiedergutmachung umzudeuten. „Viele haben versucht, uns in ein fremdenfeindliches Eck zu stellen“, behauptet er, verschweigt jedoch, wer das pauschal getan haben soll. Das Publikum soll sich über angebliche Anfeindungen empören und beim smarten jungen Minister, der sich dagegen verwahrt, gut aufgehoben fühlen.

Kurz vermanscht und verdreht bewusst. Mit „uns“ spricht er die Österreicherinnen und Österreicher an, denen allerdings im Umgang mit Menschen auf der Flucht nie und nimmer Fremdenfeindlichkeit vorgeworfen wurde. Ganz im Gegenteil.

Sehr wohl in der Kritik stand und steht die Regierung. Sie hat vorerst die Dimension des Problems nicht erkannt, in der Folge zu lange nichts unternommen und dann auf unerbittliche Härte gemacht. Anfangs versteckte sich der damalige Bundeskanzler Werner Faymann hinter der deutschen Amtskollegin Angela Merkel und Österreich winkte den größten Teil der Menschen Richtung Westen durch. Dann, als das nicht mehr so einfach ging, schwenkte die Koalition total um und malte den drohenden Notstand an die Wand. Das hat bei vielen Menschen verständlicher Weise Verunsicherung und Ängste ausgelöst. Dass „die Dinge außer Kontrolle“ gerieten, war somit in erster Linie Schuld der Regierung, die dafür zu Recht kritisiert wurde und wird.

Dazu tritt er als Minister auf und redet zugleich wie ein Oppositioneller.

Davon will Kurz ablenken. Zugleich braucht er die Krise, um sich als Gegenentwurf zum sozialdemokratischen Bundeskanzler Christian Kern und zu FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu profilieren: weder linker Träumer und Gutmensch noch lauter Rabauke. Dazu tritt er als Minister auf und redet zugleich wie ein Oppositioneller – ein gewagter Spagat, angereichert mit vielen hohlen Phrasen.

„Das letzte Jahr darf sich nicht wiederholen“, fordert Sebastian Kurz mit ernster Miene. Wird es auch nicht. Das haben Vorjahre so an sich, dass sie vergangen sind und nicht wiederkehren. Anstatt „uns“ etwas vorzugaukeln, sollte Kurz erklären, was er im nächsten Jahr konkret für die Integration von Menschen, die hier Zuflucht gesucht haben, tun wird.

> Der Libero ist ein politisch denkender, von Parteien und Interessenvertretungen unabhängiger Bürger.

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