Wo Strache irrt

Gastkommentar von Johannes Huber auf VIENNA.AT. Die Terroranschläge von Brüssel sind nicht auf die Massenzuwanderung zurückzuführen. 

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Gastkommentar von Johannes Huber auf VIENNA.AT. Die Terroranschläge von Brüssel sind nicht auf die Massenzuwanderung zurückzuführen.

Ob Paris, London, Madrid oder nun eben Brüssel, die Politik reagiert immer gleich auf Anschläge: Zunächst wird die gebotene Anteilnahme zum Ausdruck gebracht, dann kommen die Solidaritätsbekundungen. Und wenig später folgt von Regierungsvertretern der Ruf nach besseren Überwachungsmöglichkeiten, während es von Rechtsaußen Rundumschläge hagelt. FPÖ-Chef Heinz Christian Strache liefert da keine Ausnahme.

Im Gegenteil: „Terrornester gehören rigoros ausgehoben“, ließ er nach den Anschlägen in der französischen Hauptstadt mit den 130 Todesopfern im vergangenen November wissen. Und das wiederholte er nun wortwörtlich: „Es darf keine Parallelgesellschaften und keine verlorenen Stadtviertel mehr geben.“ Neu war nach den Explosionen diese Woche jedoch die Botschaft, die Strache über seine Ausführungen stellte: Der islamistische Terror ist demnach eine Folge „der hemmungslosen Massenzuwanderung, bei der Millionen Menschen unter dem ,Deckmantel Asyl’ nach Europa strömen“.

Das ist Unsinn. Doch dazu später. 

Strache wäre nicht Strache, wenn nicht einiges von dem, was er sagt, einen wahren Kern hätte, die Zuspitzungen jedoch fragwürdig und die Schlussfolgerungen irreführend wären. Dass sich Parallelgesellschaften entwickelt haben, lässt sich beispielsweise nicht bestreiten. Das ist ein Versagen der Integrationspolitik. Verlorene Stadtviertel gibt es zumindest in Österreich aber noch nicht. Dass wir mit einer Massenzuwanderung konfrontiert sind, ist wiederum korrekt. Dass aber „Millionen Menschen“ unter dem „Deckmantel Asyl“ nach Europa strömen, muss bezweifelt werden: Zwei Drittel der Flüchtlinge, die sich im vergangenen Jahr in Österreich niederließen, stammten aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak, wo der IS-Terror wütet. Und selbst wenn man annimmt, dass alle anderen ausschließlich aus wirtschaftlichen Überlegungen geflüchtet sind, waren das laut Statistik des Innenministeriums nur 24.536. Da können europaweit nie und nimmer eine Million, geschweige denn Millionen, zusammengekommen sein.

Warum das so wichtig ist? Weil Strache in seiner Stellungnahme zu den Anschlägen von Brüssel aus der Übertreibung heraus zu seiner Botschaft schreitet: Das Morden soll demnach „eine Folge“ dieser Massenzuwanderung sein. Und das ist schlicht und ergreifend falsch.

Den Krieg gegen uns alle würde der Islamische Staat so oder so führen; mit oder ohne Massenzuwanderung.

Der Islamische Staat hat sich dazu bekannt, der Drahtzieher zu sein. Groß geworden ist er nicht in Europa, sondern vor allem in Syrien. Unter anderem auch mit Hilfe der USA, die Islamisten dazu anstacheln wollten, den dortigen Diktator Baschar al-Aassad zu stürzen. Der IS hat sich jedoch längst verselbstständigt und auch dem gesamten Westen den Kampf angesagt. Was heißt angesagt? Der Kampf wird geführt, wie man in Paris oder Brüssel sieht.

Nicht bestritten werden kann, dass der Islamische Staat ganz besonders in Parallelgesellschaften in europäischen Großstädten willfährige Leute findet; das ist ein Problem. Den Krieg gegen uns alle würde er aber so oder so führen; mit oder ohne Massenzuwanderung.

> Dieser Beitrag ist zunächst auf VIENNA.AT erschienen.

> BUCHTIPP. Lüders, Michael: Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet. C.H.Beck-Verlag, 175 Seiten, 14,95 Euro.

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