ANALYSE. Häupl macht Ludwig den Weg erst zum letztmöglichen Zeitpunkt frei. Damit wird’s für diesen noch schwerer, 2020 erfolgreich zu sein. Zum Schaden der gesamten Partei.
Will die SPÖ nicht nur darauf hoffen, dass Schwarz-Blau grandios an sich selbst scheitert (was nicht sicher ist), muss sie an sich selbst arbeiten. Eh klar. Sie kann sich auch nicht darauf verlassen, dass sich die allgemeine Themenlage von „Flüchtlingen“ weg wieder einmal zu ihren Gunsten ändert. Auch logisch. Vor allem aber müsste sich die Sozialdemokratie in Wien neu aufstellen. Urnengänge gewinnt und verliert sie schließlich in der Bundeshauptstadt.
Umso schwerwiegender die Selbstbeschädigung, die sich ebendort aus Sicht der Partei abspielt: Dass sich mit Michael Ludwig an ihrer Spitze ein Mann als Nachfolger von Michael Häupl durchgesetzt hat, erfreute nicht nur diesen nur begrenzt, um es vorsichtig auszudrücken. Von den offenen Konflikten ist in den auflagenstarken Boulevardzeitungen in extrem zugespitzter Form zu lesen. Und zwar täglich. Womit sie sich im Laufe der Zeit auch verfestigen. Ob es irgendjemandem passt oder nicht.
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Für die Wiener SPÖ könnte es trotz allem folglich nur einen Weg geben: Ludwig ist mit deutlicher Mehrheit zum Parteichef gewählt worden, also muss er auch umgehend die gesamte Verantwortung übernehmen können. Doch Häupl hat bereits angekündigt, dass er das Bürgermeisteramt erst im Mai übergehen will. Jetzt ist der Termin auf den 24. Mai festgelegt worden.
Da kann Ludwig einstweilen noch so viele Klausuren durchführen. Der alte Chef (Häupl) ist irgendwie immer noch präsent.
Schlecht nicht nur für Ludwig, sondern die gesamte Sozialdemokratie: Die unklaren Verhältnisse erstrecken sich damit noch dreieinhalb Monate dahin, sodass es unmöglich wird, einen vielleicht umstrittenen, aber doch wenigstens irgendeinen Kurs zu definieren. Da kann Ludwig einstweilen noch so viele Klausuren durchführen. Der alte Chef (Häupl) ist irgendwie immer noch präsent.
Das ist doppelt verhängnisvoll: Nicht nur die Partei ist schließlich in eine Krise gestolpert, auch die Stadt hat erhebliche Probleme. Beispiel „Krankenhaus Nord etc.“ Man möchte gar nicht in der Haut der nächsten Gesundheitsstadträtin oder des nächsten Gesundheitsstadtrates stecken. Allein da gibt es eine Baustelle, die erst abgeschlossen werden will. Und überhaupt: So lange Gangbetten auch nur irgendwo aufscheinen und potenzielle SPÖ-Wähler damit am gesamten Versorgungssystem zweifeln lassen, schaut’s schlecht aus für die Sozialdemokratie.
In Stadt und Partei würden bis 2020 ein paar Mammutaufgaben warten.
Die Zeit drängt also: Der Nachfolgerin an der Spitze nur ein Jahr bis zur Wahl lassen, das hat sich Erwin Pröll in Niederösterreich leisten können. Im Falle von Micheal Häupl und Wien sind zwei zu wenig.
Bis zur nächsten Gemeinderatswahl, die spätestens 2020 stattfinden wird, müssen von Michael Ludwig zumindest diese Mammutaufgaben erledigt werden: Die parteiinterne Konfliktbewältigung; eine organisatorische Neuaufstellung (die Häupl 2016 angekündigt, aber nie durchgeführt hat); die Lösung städtischer Probleme; die Erstellung eines Angebots an die Wähler; und die Schaffung einer Perspektive für die SPÖ für den Fall, dass sich Rot-Grün in naher Zukunft nicht mehr ausgeht. Ganz zu schweigen von all den Auseinandersetzungen mit der schwarz-blauen Bundesregierung, die nur darauf wartet, Wien politisch drehen zu können. Das allein wäre genug.
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