Kurz steht eigentlich nur die ÖVP im Weg

ANALYSE. Wesentliche Reformvorhaben werden vor allem durch Interessenvertreter aus seinen eigenen Reihen blockiert.

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ANALYSE. Wesentliche Reformvorhaben werden vor allem durch Interessenvertreter aus seinen eigenen Reihen blockiert.

Den einen oder anderen Punkt, der in den türkisen Strategiepapieren enthalten ist, die der „Falter“ veröffentlicht hat, hat die Neue Volkspartei von Sebastian Kurz nicht aufgegriffen. Die Abschaffung des Bundesrates beispielsweise. Doch das ist nachvollziehbar. Davon betroffen wären nämlich vor allem die ÖVP-Landesorganisationen; sie besetzen die meisten Mandate in der Länderkammer des Parlaments und haben überfällige Veränderungen daher schon in der Vergangenheit abgeblockt.

Einen solchen Kraftakt muss sich Kurz nicht auch noch antun. Sollte er die Gelegenheit bekommen, sein Wahlprogramm umzusetzen, hat er ohnehin schon genug Probleme; und zwar vor allem mit eigenen Parteifreunden. Vieles könnte er mit den Freiheitlichen oder vielleicht auch den Sozialdemokraten eher umsetzen als mit diesen.

Wo soll man anfangen? Bei Steuerreformen gab es in der Vergangenheit immer eine große Hürde, die nach außen hin kaum wahrnehmbar war: Länder und Gemeinden legten sich quer. Grund: Werden weniger Steuern eingenommen, müssen (Stichwort Umverteilung über den Finanzausgleich) immer auch sie mit weniger Einnahmen über die Runden kommen. Daher blieb Finanzministern letzten Endes nie etwas anderes übrig, als ihnen die Einbußen zumindest zum Teil anzugelten.

Kurz plant nun eine sehr große Steuerreform. 11,7 bis 12,7 Milliarden Euro soll das Entlastungsvolumen betragen. Und das bedeutet eben nicht nur, dass der Bund geringere Einnahmen hat, sondern auch Länder und Gemeinden. Gut ein Drittel geht auf ihre Kosten. Wobei erfahrungsgemäß eben nicht zu erwarten ist, dass sie sagen: „Danke Sebastian, das machen wir gerne!“ Schon bei der Abschaffung des Pflegeregresses haben sie vor dem Sommer kritisiert, dass die Maßnahme zwar vernünftig sei, sie aber Geld koste. Botschaft: „Das muss uns jetzt der Bund überweisen.“ 

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Wobei man nicht vergessen darf, dass sechs der neun Bundesländer ÖVP-geführt sind. Und sich die ÖVP nicht umsonst „Bürgermeisterpartei“ nennt; sie stellt die mit Abstand meisten Gemeindechefs.

Sebastian Kurz bräuchte einen so fulminanten Wahlerfolg, dass er eine Zeit lang freie Hand hat, zu machen, was er will.

Zur Gegenfinanzierung der Steuerreform muss sich Kurz einmal mehr mit den Vertretern dieser Gebietskörperschaften zusammensetzen. Immerhin will er etwas schaffen, woran noch all seine Vorgänger seit Josef Pröll gescheitert sind: Nicht nur Doppelgleisigkeiten bei den Förderungen streichen, sondern auch noch endlich eine vollständige Transparenzdatenbank einführen. ÖVP-Landeshauptleute lehnen das ab (genauso wie die sozialdemokratischen); zuletzt etwa bei den Finanzausgleichsverhandlungen mit ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling: Sie müssten damit ihre Kassen offenlegen. Was letzten Endes natürlich den Druck erhöhen würde, da und dort Kürzungen vorzunehmen und ihre Spielräume damit erheblich eingeschränkt werden würden.

Und so geht es weiter: „Wir brauchen eine moderne Gewerbeordnung“, heißt es im Wahlprogramm der Neuen Volkspartei. Gescheitert ist eine solche bisher jedoch nicht nur an roten Gewerkschaftern, sondern vor allem auch schwarzen (bzw. türkisen) Wirtschaftskammer-Funktionären – sie klammern sich am meisten an dieses antiquierte Instrument zur Kontrolle des halben Wirtschaftslebens.

Überwinden könnte Sebastian Kurz all diese Widerstände nur mit Zugeständnissen, wie er sie bei der Vorsitzübernahme von Reinhold Mitterlehner im Mai eingefordert hat. Umso bemerkenswerter ist, dass er sie nicht gleich mit einbezogen hat. Womit ihm jetzt nur eine Chance bleibt, wenn er wirklich etwas verändern möchte: Ein so fulminanter Wahlerfolg, dass er zumindest eine Zeit lang freie Hand hat, zu machen, was er will.

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