Das ÖVP-Dilemma mit den Rechten

ANALYSE. Das Ultimatum an Viktor Orbán bringt Sebastian Kurz auch im Umgang mit den Freiheitlichen unter Zugzwang. 

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ANALYSE. Das Ultimatum an Viktor Orbán bringt Sebastian Kurz auch im Umgang mit den Freiheitlichen unter Zugzwang.

Dass Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz das Ultimatum der Europäischen Volkspartei (EVP) an den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán unterstützt, ist bemerkenswert. Aus vielerlei Gründen. Wolfgang Schüssel, einer seiner Vorgänger, hat Orbàn in einem Interview mit der Tiroler Tageszeitung gerade erst in Schutz genommen: Er gehe zwar nicht immer zimperlich mit seiner Macht um, „aber sie ist demokratisch legitimiert“, ließ er wissen. Motto: Mehrheit legitimiert alles. Auch eine Abkehr von Rechtsstaatlichkeit, Europa und liberaler Demokratie. Davon, Obáns Fidesz aus der EVP auszuschließen, wenn dieser nicht zur Besinnung kommt, hält der Altkanzler im Übrigen nichts – „weil man sie sonst in die rechtsnationale Fraktion treibt“, der auch der FPÖ angehört.

Warum darf Fidesz nicht, was bei der FPÖ durchgeht?

Das wäre in der Tat pikant: Auf der einen Ebene würde unter anderem auch Kurz Fidesz signalisierten, dass sie eine rote Linie überschritten hat, auf der anderen wäre sie wenig später sehr wahrscheinlich Bündnispartnerin seiner Koalitionspartnerin. Das wirft Fragen auf: Warum darf Fidesz nicht, was bei der FPÖ im Regierungsalltag durchgeht?

Klar: Die ÖVP hat sich vor zwei Jahren entschieden, zu Rechtspopulismus überzugehen und so den Freiheitlichen Wind aus den Segeln nehmen. Kurz ist das durch die restriktive Flüchtlingspolitik gelungen. Siehe Wahlerfolg im Oktober 2017. Ein Wahlerfolg bei der EU-Wahl im kommenden Mai wird ungleich schwieriger: Rechtspopulismus hieße in diesem Fall, gegen Europa sein. Und dazu ist Othmar Karas der falsche Spitzenkandidat. So gesehen könnte diesem eine Distanzierung von der Fidesz nur gefallen.

Andererseits bleibt aber eben die nationale Ebene: Die FPÖ mag Rechtsstaatlichkeit beteuern. Aussagen und Handlungen von ihrem Innenminister Herbert Kickl, wie die Experten zufolge gesetzeswidrige Umbenennung von Erstaufnahme- in Ausreisezentren oder die Infragestellung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) widersprechen dem jedoch. Soll heißen: Die Zähmung der FPÖ als Regierungspartei ist Sebastian Kurz nicht gelungen. Im Gegenteil: Sie ist sich selbst treu geblieben.

Ein EU-Austritt ist ultima ratio.

Im Handbuch freiheitlicher Politik, das nach wie vor über die Website der Partei aufgerufen werden kann, steht, dass „ein Austritt aus einer Europäischen Union, die sich zu einem Zentralstaat entwickelt und die Grundsätze der Subsidiarität und der Demokratie mit Füssen tritt, kein Tabu, sondern ultima ratio“ sei. 

Anschüttungen gegen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker oder George Soros sind nicht mit jenen von Orbán gleichzusetzen, entsprechen aber diesem Muster. Zur Erinnerung: FPÖ-Genrealsekretär und EU-Wahl-Spitzenkandidat Harald Vilimsky wirft Juncker ein massives Alkoholproblem vor. Und sein Parteifreund Maximilian Krauss wehrt sich gegen die Übersiedlung der Universität des „Spekulanten“ Soros von Budapest nach Wien. Zitat: „Diese Ablehnung wird vor allem wegen der Tatsache erneuert, dass es der Soros-Stiftung nicht um objektive Arbeit im wissenschaftlichen Sinne geht, sondern hauptsächlich einem Ziel verschrieben ist: Politisch Stimmung gegen jene Kräfte und Bewegungen Europas zu machen, die der grenzenlosen Zuwanderung und einer „Politik der offenen Grenzen“ skeptisch gegenüberstehen.“

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