ANALYSE. Die Wirtschaftskrise kommt etwa dadurch zum Ausdruck, dass die Zahl der Arbeitslosen Richtung Million steigt. Am Ehesten gelöst werden kann das Problem jedoch nur gesamteuropäisch.
Nach 1945 hatte bisher die Wirtschafts- und Finanzkrise die größte Erschütterung für den österreichischen Arbeitsmarkt dargestellt. Die Zahl der Arbeitslosen stieg damals stark, allein von März 2008 auf März 2009 um ein Drittel auf 271.127, wie der AMS-Datenbank zu entnehmen ist. Doch das ist Geschichte. Durch die Coronakrise hat sich alles relativiert – gegenüber dem März des Vorjahres ist die Arbeitslosigkeit heuer um fast die Hälfte auf eine halbe Million geklettert. Tendenz weiter steigend, in wenigen Tagen werden die April-Zahlen veröffentlicht.
Und weil daneben ja ein Run in die Kurzarbeit stattfindet, sind mittelfristig überhaupt noch mehr Arbeitslose zu befürchten. Bisher ist Kurzarbeit für 1,1 Millionen Beschäftigte beantragt worden. In der Hoffnung, dass die Krise so überbrückbar wird. Für viele Fälle wird das wohl zutreffen. In mehreren Branchen, wie dem Tourismus und allen Bereichen, die besonders in touristischen Regionen damit zusammenhängen, wird die Situation jedoch sehr schwierig bleiben. Sprich: Es muss damit gerechnet werden, dass die Zahl der Arbeitslosen einer Million nahe kommt.
Was dann? Der Tourismus eignet sich, darüber nachzudenken und auf das zentrale Problem zu sprechen zu kommen: Selbst wenn es hierzulande gelingt, die Pandemie einigermaßen unter Kontrolle zu halten, wird entscheidend, wie sich die wichtigsten Partnerländer entwickeln. Österreich ist keine Insel. Der Tourismus lebt genauso wenig von österreichischen Gästen allein wie es die gesamte Wirtschaft von österreichischen Konsumenten allein tut. Nur drei Zahlen das: Das Bruttoinlandsprodukt macht rund 400 Milliarden Euro aus, sowohl Importe als auch Exporte haben einen Wert von jeweils etwas mehr als 150 Milliarden Euro. Soll heißen: Ohne Außenhandel ist Österreich arm dran.
Konjunkturimpulse, die die Bundesregierung plant, wie eine fortgesetzte, beschleunigte und verstärkte Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen, könnten vor diesem Hintergrund eine, aber eben nur eine begrenzte Wirkung haben. Hotels, um beim Tourismus zu bleiben, werden dadurch vielleicht etwas mehr Nächtigungen verzeichnen, aber nicht annähernd an die Auslastung herankommen, die sie in den vergangenen Jahren erreicht haben; mehrere Millionen ausländische Gäste werden unersetzt bleiben.
Freilich: Im Moment ist noch vieles möglich. Die Krise kann V- oder L-förmig sein, wie IHS-Chef Martin Kocher immer wieder betont. Soll heißen: So schnell es runtergegangen ist, so kann es auch relativ schnell wieder raufgehen. Oder eben nicht, womit der Absturz von größerer Dauer wäre.
Die Aussicht auf eine Entlastung, die Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in seiner Rede zum Republiksjubiläum gewährte, kann so gesehen psychologisch vernünftig sein: Sie gibt derzeit verunsicherten Konsumenten etwas Hoffnung und motiviert sie vielleicht dazu, die eine oder andere größere Investition doch zu tätigen. Insgesamt wird man aber eher erst in einigen Monaten, wenn die Form der Krise absehbar ist, sagen können, welche Impulse auf nationaler Ebene wirklich sinnvoll sein könnten.
Vor allem aber wird es ein (weitgehendes) Zurück zu den guten alten Zeiten ohne gesamteuropäischen Gleichklang nicht geben können. Anders ausgedrückt: Nur wenn auch Deutschland, Italien, Frankreich und andere wichtigen Handelspartner möglichst bald wieder auf die Beine kommen, wird sich die Massenarbeitslosigkeit auch in Österreich wieder abbauen lassen.
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