ANALYSE. Warum der Bundespräsident von einer Wiederwahl in der ersten Runde ausgehen kann: Rechte schwächen sich selbst, er persönlich hat eine stabile Mehrheit in der breiten Mitte der Gesellschaft.
Die FPÖ hat die Bundespräsidenten-Wahl bereits abgeschrieben. Schon auf dem Parteitag Mitte September in St. Pölten erhielt Walter Rosenkranz, der eigene Kandidat, nicht die Bühne, die einem ernsthaften Bemühen um diesen Urnengang entsprochen hätte. Und nun, wenige Tage vor diesem, zieht es Herbert Kickl vor, sich in einer Sondersitzung des Nationalrats, aber auch in Zeitungsinseraten, mit Themen wie Asyl und Teuerung zu beschäftigen: Er befasst sich weder mit Amtsinhaber Alexander Van der Bellen noch wahrnehmbar mit Rosenkranz. Das ist eine Botschaft.
Kickls Kalkül zur Bundespräsidenten-Wahl ist nicht aufgegangen: Wähler rechts der Mitte einsammeln und damit allemal 20, 30 Prozent machen. Ja, nicht nur das: Erstmals nach dem Abgang von Sebastian Kurz schien sich eine Gelegenheit zu bieten, bei einer bundesweiten Wahl zu einer Wählerrückholaktion anzusetzen. Zur Erinnerung: Unter Kurz gelang es der neuen Volkspartei 2019 infolge der Ibiza-Affäre, eine Viertelmillion enttäuschte FPÖ-Anhänger zu gewinnen. Das wieder umzudrehen, zählt zu den großen Missionen von Herbert Kickl. Bei dieser Bundespräsidenten-Wahl damit anzufangen, ist jedoch danebengegangen.
Mit Walter Rosenkranz ist es nicht gelungen, die Wähler rechts der Mitte so wirkungsvoll anzusprechen, dass daneben kein Platz mehr bleibt für Mitbewerber. Im Gegenteil: Gerald Grosz sorgt als Mini-Trump für Aufsehen, Tassilo Wallentin hat zumindest die Unterstützung der „Kronen Zeitung“.
Umfragen zur Wahl sind (wie immer) mit Vorsicht zu genießen. Auffallend ist aber, dass Rosenkranz nicht nur bescheiden liegt, sondern sich nicht sicher sein kann, dass ihn viele von den Leute, die sich derzeit zu ihm bekennen, letzten Endes auch wirklich unterstützen werden. Das zeigt etwa eine Erhebung des Meinungsforschungsinstituts „Unique Research“. Schlimmer für Rosenkranz: Anhänger von Grosz, der ungleich stärker polarisiert, sind sich eher sicher, diesem ihre Stimme zu geben.
Das hilft Amtsinhaber Alexander Van der Bellen natürlich. Er kann von einer Wiederwahl in der ersten Runde ausgehen. Es wiegt schwerer als die Tatsache, dass er sich ganz offensichtlich schwertut mit diesem Wahlkampf. Einerseits will er einen solchen nicht zu sehr betreiben, andererseits muss er aber halt doch ein bisschen mitmachen. Das ergibt eine holprige Geschichte. Damit mag er Links der Mitte Stimmen an Dominik Wlazny, alias Marco Pogo, verlieren, der für seine Sache brennt. Unterm Strich kann ihm das aber kaum gefährlich werden.
Diejenigen, die ihn wählen wollen, werden das laut „Unique Research“ auch mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit tun. Außerdem hat er sich bereits vor sechs Jahren breiten Zuspruch bei Wählern nicht nur Links, sondern auch in der Mitte erworben. In der ersten Stichwahl wurde er damals von einer Mehrheit der SPÖ-, ÖVP-, Grünen- und Neos-Wähler unterstützt, wie eine SORA-Analyse von damals zeigt (siehe Grafik). Bei der Wiederholung, die wenig später notwendig wurde, dürfte sich das noch verstärkt haben. Dazu liegt zwar keine Auswertung nach Parteianhängern vor, aber eine solche nach Unterstützern beim ersten Wahlgang. Sie verdeutlicht, dass im entscheidenden Moment ein noch größerer Teil etwa der Andreas Khol-Wähler (ÖVP) Van der Bellen den Vorzug gegeben hat gegenüber Norbert Hofer (FPÖ).
Van der Bellen ist diese Wählerschaft zu einem guten Teil geblieben. Peter Hajek von „Unique Research“ sieht auch gegenwärtig breiten Zuspruch von SPÖ-, ÖVP-, Grünen- und Neos-Wählern. Das macht die Sache für ihn so sicher, kommt aber nicht irgendwoher: Er hat bisher nichts gemacht, was eine Masse gegen ihn aufgebracht hätte. Er ist sich selbst quasi nicht gefährlich geworden. Beim APA/OGM-Vertrauensindex vom Juli erklärten immerhin 65 Prozent der Befragten, sie würden ihm vertrauen – so viele, wie sonst keinem anderen Vertreter der Bundesebene (Wirtschaftsminister Martin Kocher folgte als nächstbester mit Abstand bzw. 46 Prozent).