Trügerisches FPÖ-Debakel

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ANALYSE. Die größte Lehre aus der Wiener Gemeinderatswahl 2020: Sogar rechts der gestärkten ÖVP ist sehr viel Platz geblieben.

„Nicht andere Parteien haben uns besiegt“, sagte FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl am Tag nach der Wiener Gemeinderatswahl: Seine Partei habe das schon selbst erledigt. Das ist vieldeutig und kann auch so verstanden werden: Vor allem die türkise ÖVP, aber auch die SPÖ haben zugelegt; sie haben das jedoch bei weitem nicht nur auf Kosten der FPÖ getan. Ja, sie haben den Freiheitlichen sogar überraschend wenige Stimmen abgenommen.

Für die ÖVP von Sebastian Kurz gab es diesbezüglich – Wahlsieg hin, Wahlsieg her – sogar eine gewisse Ernüchterung: Bei der Nationalratswahl vor genau einem Jahr haben sie jede zweite Stimme übernommen, die die Freiheitlichen verloren haben. Diesmal nur jede fünfte.

Das ist im Grunde genommen sogar alarmierend für die Türkisen, aber auch für all jene, die glauben, die extreme Rechte sei hier nachhaltig geschwächt worden. In Abwandlung einer Ansage von Franz Joseph Strauß verfolgt die neue ÖVP das Ziel, mit ausgeprägtem Rechtspopulismus möglichst viele Stimmen rechts der Mitte einzusammeln; für die FPÖ sollte eigentlich kaum noch etwas übrig blieben bzw. kein Platz mehr sein.

Gerade im Wien-Wahlkampf haben die Türkisen nahezu hemmungslos alles dafür getan. Integrationsministerin Susanne Raab hat – in Anspielung an die Bevölkerung der Stadt – bloße Fremdsprachigkeit zum großen Problem erklärt; vom Außenminister bis zum Kanzler haben alle Regierungsmitglieder immer wieder betont, dass es undenkbar sei, auch nur Kinder aus Moria aufzunehmen; es gab wie gesagt keine Grenze.

Vor diesem Hintergrund überrascht es sehr, dass von der Viertelmillion Stimmen, die die FPÖ vor fünf Jahren erreicht hatte, jetzt nur 43.000 an die ÖVP gingen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die SPÖ ohne vergleichbare Töne immerhin 32.000 übernehmen konnte. Das ist nicht so viel weniger.

Die FPÖ selbst ist ja von mehr als 250.000 Stimmen auf rund 50.000 eingebrochen. Das unterstreicht: Sehr viele Menschen haben sich zwar von ihr ab-, aber keiner anderen Partei zugewendet. Tatsächlich sind laut SORA-Wählerstromanalyse rund 100.000 zu Hause geblieben. Sprich: Rechts von der ÖVP bleibt Freiheitlichen oder sonst jemandem, der mag und sein Geschäft beherrscht, sehr, sehr viel Potenzial; diese Leute sind abholbar.

Als die FPÖ in den 2000er Jahren in Folge einer gescheiterten Regierungsbeteiligung auf Bundesebene abstürzten in Wien, haben sie relativ mehr Leute an andere Parteien und weniger an die Gruppe der Nichtwähler verloren. Das ist um einiges schwerwiegender. Es ist leichter, jemanden zurückzuholen, der zwischendurch einfach nur zu Hause geblieben ist, als jemanden, der zu einer anderen Partei gegangen ist; da ist mehr Überzeugungsarbeit nötig, um diese Person wieder zu einem Wechsel zu bewegen.

Und trotzdem hat die FPÖ vor zehn, 15 Jahren ein Comeback zusammengebracht. Statt Jörg Haider stand Heinz-Christian Strache an der Spitze. Und die Partei stieg bei Gemeinderatswahlen noch höher, nicht „nur“ auf 27,9 Prozent (1996), sondern auf 30,8 Prozent (2015). Natürlich: Das muss sich nicht genau so wiederholen. Man sollte gewisse Möglichkeiten jedoch nicht übersehen.

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