ANALYSE. In Bregenz ist die Partei selbst kein wesentlicher Faktor gewesen für den Bürgermeister-Wechsel.
Natürlich freut sich auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, dass es ihrem Genossen Michael Ritsch bei der Direktwahl am vergangenen Sonntag gelungen ist, den ÖVP-Politiker Michael Linhart als Bürgermeister abzulösen. Selbst in der Krise, tun solche Nachrichten gut. Vor allem auch psychologisch: Gelingt es, über alle Bundesländergrenzen hinweg den Eindruck zu vermitteln, dass die Sozialdemokratie wieder gefragt ist, kann das nicht schaden.
Auch wenn der Beitrag der Partei zu diesem Wahlerfolg überschaubar ist. Bregenz hatte immer wieder eine relativ starke Sozialdemokratie. Sie stellte sogar jahrzehntelang den Bürgermeister – mit Fritz Mayer (1970 bis 1988) und Norbert Neururer (1988 bis 1990).
Ganz bewusst ist hier von „immer wieder“ die Rede: Es hängt auch davon ab, was bzw. wer gewählt wird. Bei der Nationalratswahl 2017 lag sie unter Christian Kern fast gleichauf mit der ÖVP von Sebastian Kurz (26,6 zu 27,2 Prozent). Im vergangenen Jahr verlor sie mit Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner viereinhalb Prozentpunkte, während die neue Volkspartei um 2,3 Prozentpunkt zulegen konnte und bei 29,5 Prozent landete (was im bundesweiten Vergleich noch immer sehr wenig war für sie).
Wenige Wochen nach dieser Nationalratswahl fand die Landtagswahl statt. Ergebnis: 32,6 Prozent für die ÖVP von Landeshauptmann Markus Wallner und gerade einmal 17 Prozent für die SPÖ.
Und nun eben die Gemeinderatswahl. Ernüchternd bei aller Freude für die Sozialdemokratie: Sie ist nicht auf dem Stimmzettel gestanden. Weder ausgeschrieben noch abgekürzt, geschweige denn mit hinzugefügter Ortsbezeichnung. Sondern gar nicht. Dort stand – neben all den anderen Listen – ausschließlich: „Michael Ritsch – Team Bregenz“.
Zumal jedoch jeder wusste, welcher Partei er angehört, lassen wir das. Seine Liste holte 29,6 Prozent, die „Bregenzer Volkspartei“ trotz Linhart 39,4 Prozent. Der Zusatz „trotz“ klingt hart. Ist aber so gemeint: Er ist wesentlicher Bestandteil des Ritsch-Triumphs. Linhart ist alles andere als populär. Selbst Parteigänger bezeichnen ihn als abgehoben. Schon vor 15 Jahren hatte er sich einer Stichwahl mit Ritsch schlagen müssen und diese mit 52,6 zu 47,4 Prozent alles andere als haushoch gewonnen; nicht wenigen war es eine lästige Pflicht, Linhart lediglich zur Verhinderung eines roten Bürgermeisters zu unterstützen.
Das Beispiel zeigt, dass zu einem Wechsel eigentlich immer zwei gehören: Ein Amtsinhaber, der seinen Bonus verspielt hat (oder erst gar keinen entwickelt hat); und ein überzeugender Herausforderer. In Bregenz waren das eben Linhart auf der einen und Ritsch auf der anderen Seite.
Man kann aber noch weiter zurückblättern: Das Muster ist auch bei den wenigen Wechseln in den Bundesländern erkennbar. In der Steiermark 2005 bei der Abwahl von Waltraud Klasnics ÖVP und der Wahl von Franz Voves‘ SPÖ. Oder 2004 bei der (De-facto-)Abwahl von Franz Schausberger (SPÖ) in Salzburg und der Wahl von Gabi Burgstaller (SPÖ).
Auch auf Bundesebene war das vor drei Jahren so: Mit Zutun von Sebastian Kurz (ÖVP) und aus vielen weiteren Gründen, bis hin zu eigenen Unzulänglichkeiten, konnte Christian Kern (SPÖ) keinen Kanzlerbonus entwickeln; dank der hohen Persönlichkeitswerte schaffte es Kurz bei der Nationalratswahl 2017, die SPÖ von Platz eins zu verdrängen und selbst zu triumphieren.
Sprich: Auch nach Bregenz kann sich die SPÖ nicht darauf verlassen, dass die ÖVP mit Kurz irgendwann scheitert und sie dann wieder an die Macht kommt. Rendi-Wagner bleibt die Aufgabe, sich – sofern überhaupt möglich – mit Hans Peter Doskozil zu arrangieren und größere Massen zu überzeugen.
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