ANALYSE. Die FPÖ schafft es weniger denn je, ein Protestlager rechts der Mitte zu bedienen. Die Zahl der Mitbewerber wächst. Schadenfreude wäre jedoch vollkommen daneben. Hier kann eine neue größte Partei entstehen.
Ein ganzseitiges Inserat in „Krone Bunt“, dem Mantel der Sonntagsausgabe der größten Tageszeitung Österreichs, kostet laut Tarif 36.419,07 Euro. Zwei Seiten kosten das Doppelte (72.838.13 Euro). Zu drei Seiten gibt es zwar keine Angaben, das Dreifache wären aber rund 110.000 Euro. Das ist viel Geld. In der jüngsten Ausgabe von „Krone Bunt“ hat ganz offensichtlich Frank Stronach drei Seiten für Tassilo Wallentin gekauft. Tassilo wer? Leser des Blattes kennen ihn, bis vor kurzem hatte er eine Kolumne darin. Jetzt ist der Anwalt Präsidentschaftskandidat und will „das Polit-Establishment“ daran hindern, Österreich gegen die Wand zu fahren, wie seiner Website zu entnehmen ist.
Laut Wallentin hat Stronach für das Inserat, in dem er (Wallentin) seine Beweggründe für die Kandidatur darlegte und das außerdem aus dem Formular für eine Unterstützungserklärung mit leerer Rückseite bestand, den „üblichen“ Preis bezahlt. Stronach, 89, mischt also wieder mit in der Innenpolitik. Und das ist auch eine Kampfansage an die Freiheitlichen von Herbert Kickl.
Das Ergebnis einer „profil“-Umfrage zur Bundespräsidenten-Wahl, das am vergangenen Wochenende veröffentlicht wurde, legt den Schluss nahe, dass sich ein rechtspopulistisches Lager zersplittert; dass es weniger denn je von der FPÖ kontrolliert wird. Mit dem Monopol ist es schon lange vorbei. Ein so geringer „Marktanteil“ ist jedoch bemerkenswert: FPÖ-Kandidat Walter Rosenkranz werden in der Umfrage 13 Prozent ausgewiesen, Wallentin, der in den vergangenen Monaten als potenzieller FPÖ-Kandidat gehandelt wurde, ebenso sechs wie dem Kolumnisten Gerald Grosz, der ursprünglich aus der FPÖ kommt. Inhaltlich verfolgen sie alle einen nationalen, einen anti-europäischen Kurs und lehnen etwa die Sanktionen gegen Russland ab.
Das leitet über zu einem weiteren Kandidaten, nämlich Michael Brunner. Er hält drei Prozent. Auch das tut Freiheitlichen weh: Krickl bemüht sich seit vielen Monaten, dafür zu sorgen, dass Brunners coronamaßnahmen- und impfgegnerische Liste MFG kein Platz bleibt. Er hat sogar versucht, sich an die Spitze einer Protestbewegung zu setzen, von der die MFG profitiert. Gelungen ist es ihm trotz aller Radikalisierung jedoch nur zum Teil.
MFG und Brunner könnten politisch zwar schon bald gar keine Rolle mehr spielen. Auf die Corona- sind jedoch weitere Krisen gefolgt, in denen (auch) für die FPÖ ernstzunehmende Angebote rechts der Mitte entstehen. Genauer: Ihr gelingt es nicht, dafür zur sorgen, dass diese Angebote chancenlos bleiben.
13 Prozent für Walter Rosenkranz wären eine Niederlage für die FPÖ und Kickl, der die Verantwortung für diesen Kandidaten trägt. Summa summarum 15 Prozent, also mehr, für Wallentin, Grosz und Brunner würden ein Debakel aus der bloßen Niederlage machen. Kickl würde in den eigenen Reihen wohl schwer unter Druck geraten.
Es geht ja auch um die Perspektive: Bei Sonntagsfragen zu einer Nationalratswahl mag die FPÖ ohne vergleichbare Konkurrenz wie jetzt bei der Bundespräsidenten-Wahl gleichauf mit der ÖVP hinter der SPÖ liegen. Das kann sich jedoch ändern. Zugespitzt formuliert: Jeder Prozentpunkt zum Beispiel für Wallentin wird diesen ermuntern, in der Politik zu bleiben und vielleicht eine Partei zu gründen.
Schadenfreue bezüglich FPÖ oder Kickl wäre bei alledem vollkommen daneben: Dass sie mehr und mehr Mitbewerber im Kampf gegen das erhält, was sie als Establishment bezeichnet, zeigt, dass hier ein beträchtliches Potenzial gesehen wird. In Verbindung mit eher größer werdenden Krisen könnte dieses Potenzial weiter wachsen. Und entweder sind Angebote dazu zahlreich und damit jeweils für sich genommen relativ klein, oder es kommt ein Mann (oder eine Frau) daher, dem es im Unterschied zu Kickl gelingt, es zu kontrollieren. Dann hat Österreich eine neue größte Partei.
1 Comment