Vorsicht, Nebelgranaten

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ANALYSE. Die Frage ist nicht, ob Informationsfreiheit kommt, sondern wie sie ausgestaltet ist. Änderungen in anderen Bereichen sollten die Öffentlichkeit skeptisch machen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) demnächst die Abschaffung des Amtsgeheimnisses bzw. die Einführung sogenannter Informationsfreiheit verkünden werden, ist groß. Erstens: Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat die Generalsanierung der Demokratie zur Chefsache erklärt; damit gemeint ist Korruptionsbekämpfung. Zweitens: Informationsfreiheit ist ein Teil davon. Drittens: Auf dem seit Jahren geplanten Niveau lässt sie sich relativ einfach realisieren. Viertens: Der Beifall dürfte trotzdem groß werden, es könnte gar wieder einmal von einer Jahrhundertreform gesprochen werden.

Dabei sollte man jedoch sehr, sehr vorsichtig sein. Entscheidend ist nicht, ob Informationsfreiheit eingeführt wird, sondern wie sie ausgestaltet wird. Bisherige Pläne lassen eine Nebelgranate befürchten. Zu einer älteren, nicht realisierten Fassung, die jüngsten Versionen ähnelt, schrieb der Staats- und Verwaltungsrechtler Ewald Wiederin etwas, was hellhörig machen könnte, aber von kaum jemandem wahrgenommen wird. Zitat: „Das Geheimhaltungsprinzip wäre nicht abgeschafft worden, es hätte nur die Kleider gewechselt, es hätte sich einen Tarnanzug übergezogen und dadurch an Kraft gewonnen.“

Vereinfacht ausgedrückt wird voraussichtlich nur dies gemacht: An die Stelle eines Amtsgeheimnisses mit Ausnahmen tritt eine Informationsfreiheit mit Beschränkungen. Dazu gibt es eine lange Liste, die es staatlichen Stellen ermöglicht, bestimmte Dinge nicht zu veröffentlichen. Kammern, die verfassungsrechtlich geschützt sind und hoheitliche Aufgaben erfüllen, sollen überhaupt ausgenommen werden.

Änderungen in anderen Bereichen, die ebenfalls unter dem Stichwort „Transparenz“ liefen, sollten bei alledem skeptisch machen: Bei der Parteienförderung kam es zu Fortschritten. In einem entscheidenden Punkt, der von Heinz-Christian Strache (FPÖ) im Ibiza-Video angesprochen wurde und der etwa vom ÖVP-Seniorenbund bekannt ist, bleiben jedoch Leerstellen. Nämlich bei parteinahen Vereinen. Regelungen dazu wurden auf die lange Bank geschoben: Per Entschließung des Nationalrats ist die Regierung aufgefordert, zu prüfen, ob und allenfalls welchen Handlungsbedarf es hier geben könnte. Dabei ist die Sache offensichtlich: Parteinahe Organisationen wie eben der Seniorenbund halten sich Vereine, die strengeren Transparenzbestimmungen nicht unterliegen. Der Rechnungshof hat bereits mehrfach klargemacht, dass er hier durchgreifen würde.

Ein anderes Beispiel sind geplante Änderungen für Regierungsinserate. Auch hier gibt es Fortschritte. Auf Begrenzungen hat man jedoch ebenso verzichtet wie auf Kontrollregeln. Ab einem Volumen von 150.000 Euro muss ein Bericht über Inhalte, Ziele und Zielgruppen vorgelegt werden, ab 750.000 wird zudem eine Wirkungsanalyse nötig. Der Haken: Das muss nur veröffentlicht werden. Auf die Frage nach der Kontrolle erklärte Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) laut „Standard“, die „100-prozentige Offenlegung“ und „Transparenz“ führten zu einer Kontrolle durch die „breite Öffentlichkeit“. Problem: Die breite Öffentlichkeit kann allenfalls keine Konsequenzen durchsetzen. Sie kann sich eher nur empören.

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