Auf den Verfassungsdienst gepfiffen

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ANALYSE. Die ÖVP hat noch schnell die WKStA schwächen wollen. Mit Hilfe der Grünen. Bis diesen sickerte, wobei sie sich hier mitschuldig machen würden.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hat es immerhin zugegeben: Handydatensicherungen sollen der Staatsanwaltschaft bzw. auch der Wirtschaftsstaatsanwaltschaft (WKStA) entzogen und dem Innenministerium übertragen werden. Auf den Hinweis von Armin Wolf, dass so Chatnachrichten von und um Ex-Kanzler Sebastian Kurz sowie Thomas Schmid nie öffentlich geworden wären, erklärte sie Montagabend in der ZIB2: Das sei „genau der Grund“, warum der Beschluss dazu noch im Juli gefasst werden solle. Dass es also unter Dach und Fach gebracht werden sollte, ehe dann gewählt wird und vielleicht eine andere Regierung kommt.

Schnell, schnell wollte man eine Gesetzesänderung in eigener Sache vornehmen. Grüne, die mit Alma Zadic die ressortzuständige Justizministerin stellen, spielten zunächst mit. Im Hohen Haus brachten sie den entsprechenden Antrag mit ein. Nur wenige Tage sollte die Begutachtung dauern.

Das ist ein Punkt, den man in Zeiten wie diesen hervorheben muss: Seit 1958 (!) weist der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes immer und immer wieder darauf hin, dass ein Begutachtungsverfahren zumindest sechs Wochen dauern sollte. Es hat schon Bewunderung verdient, dass es ihm nicht zu dumm geworden ist, wird es doch regelmäßig ignoriert. Auch in diesem Fall. Und ausgerechnet Edtstadler, die sich darüber empört, dass sich Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) nicht an seine Ansicht gehalten hat, pfeift ebenfalls auf eine Empfehlung von ihm.

Wenn der Vergleich nicht hinken würde, könnte man sagen: Wie Gewessler die Zustimmung zur EU-Renaturierungsverordnung war Edtstadler und der ÖVP das Durchpeitschen der Handysicherungsnovelle wichtiger. Weil in Parteiinteresse.

Der Protest von Richtern und Staatsanwälten, aber auch Rechtsanwälten war groß. In einem Gastkommentar im „Standard“ schrieben die Anwälte Richard Soyer und Philip Marsch: „Was die Neuregelung für die laufenden clamorosen Verfahren und die dortigen Ermittlungsergebnisse bedeutet, lässt sich noch gar nicht abschätzen. Zwischen den Zeilen vermeint man zu lesen: Friss und stirb, WKStA!“

Die WKStA wäre auf korrekte Beamten im traditionell von der ÖVP bzw. im vergangenen (fast) Vierteljahrhundert nur vorübergehend von der FPÖ bzw. Herbert Kickl geführten Innenministerium angewiesen. Ermittlungen hätten dadurch im Übrigen wohl länger gedauert, sodass sich Betroffene darüber empören können, dass nichts weitergehe. Man kennt das. Gerne heißt es dann, dass die Suppe wohl zu dünn sei und nichts gefunden werde, was für eine Anklageerhebung tauge: Hahaha!

Stattdessen verlängert wird vorerst aber die erwähnte Begutachtung: Es wird kundigen Leuten und Institutionen nicht nur ein paar Tage Zeit gelassen, das Vorhaben zu prüfen und zu kommentieren. Was nicht von heute auf morgen möglich ist und lediglich von der Absicht zeugt, eben keine abweichenden Stellungnahmen berücksichtigen zu wollen. Zadic hat erkannt, wobei sich die Grünen hier mitschuldig machen würden. Es hätte den Punkt, den sie für ihre Klientel bei der Renaturierung gemacht haben, vergessen gemacht. Also lässt sie die Begutachtung wenigstens auf sechs Wochen erstrecken und kündigt im Übrigen eine Überarbeitung an.

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