Zum Scheitern verurteilt

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ANALYSE. Eine Reform der Sozialhilfe kann nicht zustande kommen. Zu unterschiedlich sind die Zugänge, zu sehr eignet sich das Thema, um Neid und Missgunst zu pflegen.

Rechtspopulisten stellen die Sozialhilfe (Mindestsicherung) nicht nur als unnötig, sondern auch als übel dar: Sie werde von Menschen ausschließlich missbraucht, um es sich gemütlich zu machen. Vor allem Geflüchtete würden das tun, ja, sie würden nur nach Österreich kommen, weil es die Leistung gebe. Stichwort „Zuwanderung ins Sozialsystem“.

So schaut denn auch der Zugang zur Reform aus, die die Bundesregierung mit den Ländern durchführen möchte. Der steirische Landeshauptmann Mario Kunasek (FPÖ) will gleich Fakten schaffen, er kündigt in der Gratiszeitung „Heute“ für sein Bundesland das „strengste Sozialhilfegesetz“ an. Es solle sich um eine wichtige Maßnahme handeln, um die Steiermark „als Asylzielland unattraktiv zu machen“.

Familienministerin Claudia Plakolm (ÖVP) ist ganz besonders dies wichtig: „Weniger Geld für Großfamilien!“ Klar: Wenn eine einzige mit allem Drum und Dran auf 9000 Euro kommt, ist das nicht vermittelbar. Andererseits: In diesem Fall, der für Schlagzeilen gesorgt hat, handelte es sich um ein Ehepaar mit elf Kindern, also 13 Personen.

In Bezug auf die Sozialhilfe ist sehr vieles relativ: Man könnte glauben, es gehe um endlich viel. Dabei machen die Ausgaben laut Statistik Austria gut eine Milliarde Euro aus und sind im Unterschied zu den gesamtstaatlichen Sozialausgaben in ihrer Entwicklung relativ konstant. Siehe Grafik, durch die vor allem dies verdeutlicht werden soll: Es geht hier nicht um nichts, aber um deutlich weniger als ein Prozent aller Sozialausgaben.

Insofern müsste es sich um ein bewältigbares Problem handeln. Das wäre es auch. Es hapert nur am Wollen.

Die Sozialhilfe eignet sich hervorragend dafür, Neid und Missgunst zu schüren. Emotionen zu wecken, indem man Leuten einredet, dass andere auf ihre Kosten in der Hängematte liegen würden. Der ständige Ruf nach Kürzungen dient wiederum dazu, zu zeigen, dass man sich das nicht bieten lasse und eh hart sei.

Was wäre die FPÖ ohne diese Möglichkeiten? Was würden Türkise in der ÖVP, wie Plakolm, den ganzen Tag machen? Insofern brauchen sie die Leistung.

In einem Beitrag im letztjährigen Sozialbericht des Bundes gibt es spannende Ausführungen zum „Armutsfesten Sozialstaat der Zukunft“. Darin wird zum Beispiel darauf hingewiesen, dass gerade rechtskonservative Ansätze zu einer Verfestigung von Armut beitragen: Wer Wert darauf legt, dass Frauen den Haushalt führen, sich um Kinder und pflegebedürftige Ältere kümmern, der darf sich nicht wundern, wenn sie allenfalls nur Teilzeit arbeiten und im Alter vielleicht armutsgefährdet sind. Es ist eine logische Folge. Nach Geschlecht und Altersgruppen ist die Armutsgefährdungsquote (mit 19 Prozent) unter Frauen ab 65 am höchsten in Österreich.

Oder: Wer Asylwerber am liebsten fernab jeder Zivilisation unterbringt oder schaut, das Geflüchtete aus der Ukraine zunächst möglichst in der Grundversorgung bleiben, der bekommt das (vielleicht sogar gewünschte) Ergebnis: eine niedrige Erwerbsbeteiligung und eine relativ große Armut.

In der schwarz-rot-pinken Regierung gibt es Ansätze, um gegenzusteuern. Die relativ meisten Sozialhilfebezieher sind Kinder. Ihre Eltern sind ihr Schicksal. Daher ist es vernünftig, möglichst früh in der Bildung anzusetzen, um ihnen zu einem besseren Leben zu verhelfen. Auch die stärkere Einbindung des AMS bei Sozialhilfebeziehern ist gut.

Für Wien wiederum hat Bürgermister Michael Ludwig (SPÖ) in einem „News“-Interview Einschnitte bei der dortigen Mindestsicherung angekündigt, aber mit dem Zusatz, dass es sich um das letzte soziale Netz handle, das es zu erhalten gelte. Das ist ein Unterschied zu Kunaseks Zugang. Ludwig: „Es geht nicht um einen Wettbewerb nach unten. Sondern man muss sich überlegen, was ist notwendig, damit die Menschen über die Runden kommen.“

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