ANALYSE. Klar kann man von 150 Euro leben. Vernünftig ist das jedoch nicht. Im Gegenteil.
Die Behauptung von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), dass es abzüglich Wohnkosten möglich sei, von 150 Euro im Monat zu leben, sorgt ebenso für Debatten wie die unabhängig davon stehende Berechnung der Schuldnerberatungen, dass bei einem Ein-Personen-Haushalt summa summarum 1416 Euro anzusetzen seien; beinahe das Zehnfache also.
Beides ist relativ: Selbstverständlich geht es vorübergehend, mit 150 Euro über die Runden zu kommen. Diskont- oder gar Sozialmärkte und andere karitative Einrichtungen, die etwa auch gebrauchte Kleidungsstücke hergeben, helfen dabei. Abgesehen davon, dass eine ausgewogene Ernährung unter diesen Umständen schwer ist, ist damit jedoch nicht zu haben, was die Schuldnerberatung in ihrer Kalkulation berücksichtigt: eine „bescheidene gesellschaftliche Teilhabe“. Beim Volksfest ein Getränk ist auf eigene Kosten ebenso wenig drinnen wie eine Kleinigkeit zum Essen. Kino- und Konzertbesuche sind undenkbar. Womit der Freundeskreis bald sehr klein sein könnte.
Computer oder Bücher sind nicht erschwinglich. Womit auch die Weiterbildung erschwert ist.
Ganz zu schweigen vom Erwerb eines Computers oder etwa Büchern. Womit nicht zuletzt auch die Weiterbildung erschwert ist und deutlich wird, wie verhängnisvoll dieser Sadismus ist, gewissen Leuten ein Leben von 150 Euro zumuten zu wollen bzw. der Masochismus, wonach sich das für sich selbst angeblich allemal ausgehen würde. Ja es ist gelinde gesagt dumm.
Umso alarmierender ist im Übrigen, dass das „untere Viertel“ der österreichischen Ein-Personen-Haushalte 2017 laut Statistik Austria nur ein verfügbares Netto-Jahreseinkommen von maximal 15.181 Euro erreichte. Dividiert durch zwölf sind das 1265 Euro. Und damit weniger als die Schuldnerberatungen ansetzen (1416 Euro). Dazu gehören werden unter anderem Bezieher einer Ausgleichszulage bzw. Mindestpension sowie Langzeitarbeitslose.
Politisches Ziel sollte es sein, dazu beizutragen, dass mehr Leute aus eigener Kraft zu mindestens 1416 Euro kommen.
Andererseits lag die Armutsgefährdungsschwelle bei Ein-Personen-Haushalten im vergangenen Jahr bei 1238 Euro im Monat. Das jedoch ist ein relativer Wert; er ist abhängig von den Einkommensverhältnissen insgesamt.
Wie auch immer: Politisches Ziel kann es nicht sein, jedem Ein-Personen-Haushalt mindestens 1416 Euro im Monat zu garantieren; das ist unrealistisch. Politisches Ziel sollte es vielmehr sein, dazu beizutragen, dass mehr Leute aus eigener Kraft zu dieser Summe kommen. Und das ist im Krisenfall wohl eher unmöglich, wenn nur 150 Euro zur Verfügung stehen. Damit geht sich nicht einmal ein gepflegtes Äußeres für ein Bewerbungsgespräch aus. Von vielem anderen gar nicht zu reden.
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