Wissenschaftsverachter

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ANALYSE. Bei der Corona-Ampel zeigt sich am brutalsten, wie viel die Bundesregierung von Expertise hält: nichts.

Die Corona-Ampel ist defekt. Genauer: Sie hat nie funktionieren dürfen. Eine Folge davon wird im Ergebnis des „Austrian Corona Panel Projects“ bzw. einer Befragung von knapp 1600 Österreicherinnen und Österreichern durch die Uni Wien sichtbar: Für gut die Hälfte hat die Ampel praktisch keine Bedeutung. Damit ist sie im Grunde genommen sinnlos. Andererseits: Das war wohl auch genau so vorgesehen.

Bei der Befragung in der zweiten Oktoberhälfte gaben 42 Prozent an, sich dank Ampel „eher nicht“ oder „gar nicht“ über das Erkrankungsrisiko in ihrem Bezirk informiert zu fühlen. 48 richten denn auch ihr Verhalten nicht nach der Ampel aus. Umgekehrt fühlt sich nur gut ein Viertel informiert und auch gewissermaßen orientiert (das verbleibende Viertel antwortete jeweils mit „teils, teils“).

Die Corona-Ampel ist damit ähnlich wirkungslos wie die Corona-App, an die sich kaum noch jemand erinnern wird: Kanzlerberetarin Antonella Mei-Pochtler hatte im Frühjahr gemeint, bald werde sie jeder haben; der Aufschrei, der folgte, war jedoch so groß, dass Sebastian Kurz (ÖVP) nichts mehr von der unpopulären Geschichte wissen wollte.

Der Ampel-Schaden war vorprogrammiert. Und zwar doppelt: ÖVP und Grüne bzw. Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) verfolgen unterschiedliche Strategien zur Bekämpfung der Pandemie. Anschober bemühte sich um ein möglichst evidenzbasierte Herangehensweise. Entwicklungen, Gefahren und Entscheidungen sollten demnach einigermaßen nachvollziehbar sein. Die Ampel war ein Versuch dazu. Allerdings hatte sie einen Konstruktionsfehler: Mit „Rot“-Schaltungen, die noch dazu relativ früh erfolgten aus heutiger Sicht, fehlte ihr jegliche Steigerungsfähigkeit. Mehr rot also rot geht nicht. Ob der Zuwachs bestätigter Infektionen pro 100.000 Einwohner und Woche 200 oder 800 beträgt (wie zuletzt in Vorarlberg), macht von der Schaltung her keinen Unterschied. Das ist absurd.

Sebastian Kurz ignorierte die Corona-Ampel nicht einmal. Schon vor bald zwei Monaten rief er die zweite Welle aus und blieb bei seiner eigenen Krisen- und vor allem auch Kommunikationsstrategie. Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) lieferte ebenfalls eigene Antworten für Schulen und Universitäten. Vorgesehene Maßnahmen bei bestimmten Ampel-Schaltungen verschwanden bald von der Ampel-Website. Rot hatte ohnehin keine Konsequenzen: Selbst in Bezirken, in denen die Inzidenz in den vergangenen Wochen explodierte, ginge das Leben weiter wie im übrigen Bundesgebiet. Politik ließ es auf Schlimmeres hinauslaufen.

Man muss sich wundern, dass sich die Experten der Ampel-Kommission ihren Job überhaupt noch antun. Vor allem nach dem jüngsten Akt: Die Experten sprachen sich geschlossen dafür aus, Schulen und Kindergärten auch in einem verschärften Lockdown offenzuhalten. Das könnte man gut argumentieren: Zwar werden damit Infektionen in Kauf genommen, Kollateralschäden aber in Grenzen gehalten. Allein: Samstag verkündeten Kurz und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) De-Facto-Schulschließungen bzw. die Umstellung auf Fernunterricht. Was sie vielleicht sogar erklären hätten können. Das jedoch haben sie sich erspart: Die Regierung macht einfach, was sie will. Wissenschaft spielt keine Rolle für sie und Bürger haben ohnehin zu gehorchen.

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