ANALYSE. Der Beteiligung Österreichs an einer europäischen „Koalition der Willigen“ für eine Sicherheitsgarantie zugunsten der Ukraine oder auch zur Abschreckung Russlands steht die Neutralität im Weg.
In den vergangenen Monaten ist immer wieder Hoffnung aufgekommen, dass US-Präsident Donald Trump die militärisch schwachen Europäer doch nicht Wladimir Putin allein gegenüberstehen lassen werde. Heute weiß man, dass auf den Mann kein Verlass ist. Möglich ist alles.
Möglich scheint eine Sicherheitsgarantie für die Ukraine, getragen vor allem von europäischen Staaten, aber mit amerikanischer Rückendeckung. Im Kern soll sie nach Artikel 5 des Nato-Vertrags formuliert sein: Ein russischer Angriff auf die Ukraine wäre demnach ein Angriff auf alle Unterzeichnerstaaten. Unter diesen Umständen, so die Annahme, würde ein solcher Angriff nie stattfinden.
Möglich ist aber auch, dass Trump das Interesse daran verliert, auf ein Ende des derzeitigen Krieges hinzuwirken. Dass er Europäer allenfalls weiterhin US-Waffen für die Ukraine kaufen lässt. Oder auch nicht.
Was auch immer kommt, für Österreich ist das ein Problem.
In der Regierung mögen vor allem die Neos durchgesetzt haben, dass man sich ernsthaft an einer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU, ja dem Aufbau einer Verteidigungsunion beteiligt. Was trotz Neutralität genauso möglich wäre wie militärischer Beistand für ein anderes Mitgliedsland im Fall eines Angriffs auf ein solches: Mit Verfassungsartikel 23f ist sichergestellt, dass die Neutralität im Rahmen der EU nicht gilt. Das ist jedoch zunehmend wertlos: Ungarn steht einer sicherheits- und verteidigungspolitisch, geschweige denn militärisch starken EU im Weg. Auch insofern wird es kaum zu einer solchen kommen können.
Abgesehen davon hat sich zur Unterstützung der Ukraine gegen Russland längst eine „Koalition der Willigen“ entwickelt, der neben Deutschland und Frankreich etwa auch Großbritannien angehört und die mit der EU nichts zu tun hat: Dafür gibt es in der Verfassung keine Ausnahmebestimmung in Bezug auf die Neutralität, kann Österreich nur zuschauen.
Was zu einem größeren Dilemma überleitet: Diese „Koalition der Willigen“ bildet wohl das Format, auf das es in Europa künftig ankommen wird. Wenn es eine Sicherheitsgarantie gibt für die Ukraine, wird vor allem sie sie tragen. Wenn es keine gibt, wird sie aufgrund der Unzuverlässigkeit der USA versuchen, Europa so stark werden zu lassen, dass Putin keine weiteren Angriffe mehr startet.
So oder so läuft die „Koalition der Willigen“ auf ein militärisches Bündnis hinaus, dass eben nichts mit der EU zu tun hat und an dem eine Mitwirkung aufgrund des Neutralitätsgesetzes nicht möglich ist – auch wenn es um die Sicherheit Europas und darum geht, sich einem Aggressor (Putin) in den Weg zu stellen.