Meinl-Reisingers Solo

-

ANALYSE. In der Sicherheits- und Verteidigungspolitik meldet sich die Regierung zunehmend ab.

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos) redet nicht lange herum. In der ORF-Pressestunde hat sie gerade gewarnt, dass die EU zum „Spielball der Weltgeschichte“ werde, unternimmt US-Präsident Donald Trump doch einen Versuch nach dem anderen, Russland zufriedenzustellen. Also dem Aggressor zu geben, was er will. Womit auch eine Bedrohung für Europa inkl. Österreich einhergeht.

Antworten von Meinl-Reisinger: Mehr Europa, eine stärkere EU. Man müsse mit einer Stimme sprechen und verteidigungsfähig sein, um ernstgenommen zu werden. „Neutralismus“, wie er vor allem von der FPÖ propagiert wird, die im Übrigen für weniger Europa und eine schwächere EU ist, erteilt sie eine Absage.

Mit ihren Überzeugungen wirkt Meinl-Reisinger allerdings auch in der Regierung zunehmend allein: Bei der SPÖ ist keine Europa-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik wahrnehmbar. Und in der ÖVP ist mit dem Abgang von Othmar Karas die letzte (sozusagen) europäische Stimme verloren gegangen, lässt Klaudia Tanner als Verteidigungsministerin immer wieder aus.

Im vergangenen Jahr hat sie behauptet, Österreich dürfe einem anderen EU-Mitgliedsland im Falle eines Angriffs nicht militärisch beistehen. Die Neutralität lasse nur andere, allen voran humanitäre Hilfsleistungen zu. Das ist nicht korrekt, um nicht zu sagen Unsinn: Durch den heutigen Verfassungsartikel 23j ist eigens eine Art Ausnahmebestimmung geschaffen worden, der auch militärischen Beistand ermöglichen würde. Es geht allein ums Wollen: Der EU-Vertrag sieht für das neutrale Österreich lediglich keine (Beistands-)Automatik vor.

Jüngst war es Tanner auch wichtig, bei der Präsentation von Befragungsergebnissen zu sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen zu betonen, dass drei Viertel der Österreicher für die Beibehaltung der Neutralität und der Wehrpflicht seien. Problem: Das heißt wenig. Entscheidend wäre, dass Tanner im Lichte der Entwicklungen in Europa eine Auseinandersetzung mit beidem anstoßen würde.

Genau das bleibt sie jedoch schuldig. In Bezug auf die Neutralität und den europäischen Beistand ist sie wie erwähnt grundsätzlich nicht korrekt. Und in Bezug auf die Wehrpflicht hat sie zwar eine Reformkommission unter Führung des Milizbeauftragten Erwin Hameseder eingesetzt, der dezidiert für eine Verlängerung der Wehrdienstzeit ist, beginnt selbst aber zurückzurudern, zumal es nicht besonders populär ist.

„Im Regierungsprogramm steht das nicht“, erklärte sie jüngst in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“: „Und ich würde mir vielmehr wünschen, dass neue Ideen kommen in Richtung: Wie schaffe ich es, dass sich mehr für das Heer entscheiden als für den Zivildienst? Auch das wäre eine Möglichkeit, die Einsatzbereitschaft zu steigern.“

Problem: Hameseders Argument für eine Verlängerung des Wehrdienstes ist, dass es notwendig ist, die Leute besser auszubilden. Mit den derzeitigen sechs Monaten und ohne Übungen ist das nur unzureichend möglich. Das ist auch für sie selbst gefährlich. Insofern würde es nicht nur nichts bringen, mehr junge Leute für einen zu kurzen Wehrdienst zu gewinnen; ein solcher würde auch ein Sicherheitsrisiko für noch mehr von ihnen darstellen.

dieSubstanz.at ist ausschließlich mit Ihrer Unterstützung möglich. Unterstützen Sie dieSubstanz.at gerade jetzt >

dieSubstanz.at – als Newsletter, regelmäßig, gratis

* erforderliche Angabe


Könnte Sie auch interessieren

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner