Freiheit, die sie meinen

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ANALYSE. Die FPÖ lehnt eine Verschärfung des Waffenrechts ab. Dem liegt eine Infragestellung des staatlichen Gewaltmonopols zugrunde.

Freiheit und Sicherheit: Diese beiden Begriffe fallen immer wieder, wenn FPÖ-Chef Herbert Kickl und seine Leute über das Waffenrecht sprechen. In seiner Rede zum Amoklauf in Graz meinte Kickl, das Recht auf Sicherheit und Schutz müsse mit dem Recht auf Freiheit unter einen Hut gebracht werden. Das erfordere „sorgfältige Überlegungen“, da sei es noch zu früh, mit konkreten Maßnahmen zu kommen.

Der freiheitliche Sicherheitssprecher Gernot Darmann sieht aufgrund der Tatsache, dass der Amokläufer Waffenbesitzer werden durfte, obwohl ihm die Stellungskommission des Bundesheeres Untauglichkeit u.a. aufgrund psychologischer Schwierigkeiten attestiert hatte, zwar die Notwendigkeit, dass der Informationsaustausch zwischen den Behörden verbessert wird, bremst darüber hinaus aber ebenfalls: „Wir alle müssen uns vergegenwärtigen, dass die grundlegende Verantwortung für die Sicherheit unserer Kinder (…) nicht dazu führen darf, dass wir aus der Emotion heraus in die Freiheit unserer Bürger in einem überbordenden Maß eingreifen. Es braucht ein korrektes, vernünftiges Maß und den Ausgleich, denn unsere Bürger verdienen Freiheit und Sicherheit.“

Schon klar: Politik muss nach einem Ereignis wie jenem in Graz handeln. Das kann für sie sogar wichtiger sein als der Inhalt: Es ist wichtig für sie, den Leuten zu zeigen, dass sie etwas tut. Insofern ist Skepsis angebracht. Zweitens: Bei jedem Eingriff in Freiheitsrechte ist sogar doppelte Skepsis gefragt.

Aber bei zivilem Waffenbesitz?

Der freiheitliche EU-Abgeordnete Harald Vilimsky hat 2016 eigens eine Unterlage zusammengestellt, um gegen EU-Pläne für schärfere Bestimmungen zu protestieren. Titel: „Bürger im Visier“. Ihm gehe es „um die Wahrung der Rechte und Freiheiten der Bürger und damit gegen die überbordende Regulierungswut der Brüsseler Zentralbürokratie“, so Vilimsky damals.

Hätte der Amoklauf von Graz durch ein scharfes Waffenrecht verhindert werden können? Das ist hier nicht die Frage. Die Frage ist: Brauchen eine sichere und freie Gesellschaft die Möglichkeit für alle, die ein paar Voraussetzungen erfüllen, das Recht, eine Waffe besitzen zu dürfen, wie es Kickl und Co. vermitteln?

Nein. Erstens: Beim Verweis auf Freiheitsrechte dürfen Allgemeininteressen nicht ausgeblendet werden. Viele Waffen machen eine Gesellschaft nicht sicherer, sondern unter Umständen sogar gefährlicher. Siehe USA. Insofern gibt es ein Allgemeininteresse, dass Waffengesetze streng sind. Eine weniger gefährliche Gesellschaft dient am Ende sogar der Freiheit möglichst vieler: Man kann eher ohne Angst tun, was man möchte.

Zweitens: Bei Kickl und seinesgleichen geht es nicht um Freiheit, sondern eine Infragestellung des staatlichen Gewaltmonopols. Grundsätzlich lebt man in Österreich wie überall in Mitteleuropa sehr sicher, ist die öffentliche Ordnung und Sicherheit gewährleistet. Dazu tragen die meisten Menschen bei, die hier leben. Und dazu trägt die Polizei bei, die allenfalls einschreitet. Es gibt also kaum Gründe, die dafür sprechen, dass sich Bürgerinnen und Bürger selbst bewaffnen dürfen. Notwehr ist kein tauglicher Grund: Dafür müssten sie ständig bewaffnet sein, was wieder zu Punkt eins zurückführt: Man müsste befürchten, dass es öfter zu einem Waffeneinsatz kommt, auch in Nicht-Notwehr, und dass die Gesellschaft damit insgesamt gefährlicher werden würde.

Zu Kickls Geschäftsmodell gehört es aber eben, so zu tun, als wäre Österreich ganz und gar nicht sicher. Wien ist für ihn einmal „Hauptstadt der Messerstecher“ und ein anderes Mal „Hauptstadt der Vergewaltiger“. Auf Facebook schreibt er, „Messerstechereien, Schießereien, sexuelle Belästigungen, Banden- und Drogenkriege“ gehörten zum „traurigen Tagesgeschäft in Wien“.

Das heißt zweierlei: Die Sicherheitsorgane würden versagen und es sei zum Fürchten. Insofern ist es naheliegend, ja konsequent, ein lockeres Waffenrecht zu fordern. Mit Freiheit hat das jedoch nichts zu tun.

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