Wer hier sorglos ist

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ANALYSE. Coronakrise: Viel Inszenierung, Polemik und ein Finanzminister, der seinen Job nur noch Teilzeit macht. Signal: Wirklich schlimm kann die Lage nicht sein. Macht Party!

Donald Duck und der Papst sollen nun öfter anzutreffen sein in diversen Lokalen. Zumindest in den Gästelisten, die dort aufliegen, um die Kontaktnachverfolgung im Falle einer COVID-19-Infektion zu erleichtern. Natürlich sind Donald Duck und der Papst in Wirklichkeit Hinz und Kunz, die hier einfach nur einen falschen Namen eingetragen haben. Das ist jedoch nicht lustig, sondern beklemmend: Es zeigt eindrucksvoll, dass das staatliche Krisenmanagement von sehr vielen Menschen nicht mehr ernst genommen wird; es droht damit zusammenzubrechen.

Muss man sich wundern darüber? Nein. Zumal die Politik immer noch mit Angstmache arbeitet und etwa von einer zweiten Welle spricht, wie auch die Sprecherin der Coronakommission, Daniela Schmid, in einem „Presse“-Interview kritisiert hat. Die „zweite Welle“, die Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor zweieinhalb Wochen ausgerufen hat, steht ja nicht nur für einen Anstieg der Neuinfektionen; sondern auch für einen drohenden Kollaps der Gesundheitsversorgung und einen weiteren Lockdown. Beziehungsweise dafür, dass man wieder fast alle Kontakte abbrechen und zu Hause bleiben muss.

Doch davon ist Österreich weit entfernt, wie Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gerade heute wieder wissen ließ, vor allem aber auch immer mehr Experten betonen. Nein, nicht nur die üblichen, also Martin Sprenger und Martin Haditsch, sondern etwas auch der Innsbrucker Mediziner Günter Weiss und sein Wiener Kollege Christoph Wenisch. Oder eben auch die bereits erwähnte Daniela Schmid, die bei der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) tätig ist.

Was sie alle eint, ist im Übrigen dies: Wenn sie von der Pandemie reden, dann wird sie nicht harmlos, verliert jedoch an Schrecken. Man wird etwas ruhiger und lernt, dass es sich um eine schlimme, aber bewältigbare Geschichte handelt. Was wiederum die Motivation steigert, eine Maske zu tragen, Abstand zu halten, noch öfter die Hände zu waschen und sich in Lokalen mit dem eigenen Namen einzutragen.

Gerade weil wir bei dem ganzen Marathon möglicherweise noch nicht einmal bei der Hälfte angekommen sind, gibt das der Politik vielleicht zu denken. Und noch viel mehr:

Sebastian Kurz hat jetzt schon mehrfach PR-Aktionen geliefert, die ihm hinterher peinlich sein müssen. Vor dem Sommer kündigte er etwa an, sich coronamäßig enger mit ebenfalls „smarten“ Ländern wie Tschechien und Israel abzustimmen. Natürlich ließ er sich in diesem Zusammenhang auch bei der einen oder anderen Videokonferenz fotografieren und das dann der Krone und anderen Medien weiterleiten. Damit es alle sehen. Allein: Mittlerweile ist Österreich zum Risikogebiet erklärt worden, Israel befindet sich in einem Lockdown und in Tschechien spricht man von einem Notstand. Da wie dort hat man die Kontrolle verloren. Von einer Abstimmung ist nichts mehr zu hören, von „smart“ sowieso nicht.

Im Mai hat Kurz ein Signal gesetzt, das im Kleinen Walsertal sehr gut angekommen ist. Er hat das österreichische Tal, das auf der Straße nur über Deutschland erreichbar ist, besucht. Die dortige Bevölkerung hat sich nach den harten Coronawochen gefreut darüber. Zumal Kurz vergaß, Abstand zu halten, erntete er darüber hinaus jedoch schon damals sehr viel Kritik. Heute ist die Ernüchterung auch im Kleinwalsertal groß: Nichts ist passiert, man ist wieder vergessen und auf sich allein gestellt. Soll heißen: Außer Inszenierung ist da nichts gewesen. Keine Vorkehrungen für eine zweite Welle, keine Abstimmung mit Deutschland, null. Es gab ein paar Bilder und das wars.

Türkise Regierungsmitglieder können es in der Pandemie nicht lassen, die Entwicklungen in Wien hervorzuheben. Wobei sich Sozialdemokraten liebend gerne auf das Match einlassen. Im Wahlkampf nützt das beiden. Und wobei man selbstverständlich fragen muss, warum sich die Stadt nicht ausreichend auf die absehbare Zunahme der Infektionszahlen vorbereitet hat; warum sie erst im September draufgekommen ist, dass sie 1000 zusätzliche Mitarbeiter dafür einstellen sollte etc. Der Punkt bleibt jedoch: Hier ist Zeit für rein parteipolitisch motivierte Polemik. Signal an die Bürger: Wirklich ernst kann’s nicht sein.

Bleibt Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP): Von der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, die natürlich auch ihn ganz gewaltig fordern müsste, wird offenbar nur geredet. Ganz bei der Sache kann und will Blümel jedenfalls nicht sein: Er nimmt sich die Zeit, gerade mehr als ÖVP-Spitzenkandidat für die Wiener Gemeinderatswahl am 11. Oktober unterwegs zu sein. Als Finanzminister ist er quasi auf Kurzarbeit gegangen. Man könnte auch von einem Teilzeit-Finanzminister reden, den sich die Regierung in Zeiten wie diesen leistet. Oder auch von einem fatalen Signal.

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