ANALYSE. Das Innenministerium hat nicht zum ersten Mal gezeigt, dass es keine Wahlen organisieren kann – es geht um viel mehr als eine Klebstoffaffäre.
Dass Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) nicht einsehen will, warum er zurücktreten sollte, ist nachvollziehbar. Er ist sich keiner Schuld bewusst. Zumal es für ihn möglicherweise nur eine rechtliche, aber keine politische Verantwortung gibt. Dafür spricht, dass er das Wahlkarten-Klebstoffproblem einem Unternehmen zuschiebt; und die pikante Aufforderung eines Mitarbeiters, man möge zur Lösung doch einen Uhu verwenden, ebendiesem (ihn will er denn auch „hart“ bestrafen).
Sieht man die Sache also so wie Sobotka, dann muss man zum Schluss kommen, dass er selbst seiner Verantwortung nachgekommen ist. Was jedoch falsch ist: Der Innenminister führt das Ressort, zu dessen Kernaufgeben es zählt, eine ordnungsgemäße Abwicklung von Wahlgängen zu gewährleisten. Das ist eine Riesenaufgabe; da geht es nicht um irgendetwas, sondern das, was Verfassungsgerichtshof-Präsident Gerhart Holzinger als höchstes Gut in einer Demokratie bezeichnet. Entsprechend streng sind denn auch die Maßstäbe, die angewendet werden müssen.
Die Wahlverschiebung steht nur am Ende einer langen Serie von Pleiten, Pech und Pannen.
Im konkreten Fall steht die Notwendigkeit, die Bundespräsidenten-Stichwahl zu verschieben, nur am Ende einer langen Serie von Pleiten, Pech und Pannen. Wobei Sobotka selbst bis zuletzt versucht hat, das Klebstoffproblem zu negieren: „Bei allem Verständnis“, es gebe keine Notwendigkeit für eine Verschiebung, ließ er vergangene Woche noch wissen.
Natürlich kann man klüger werden und irgendwann erkennen, dass ein Problem größer geworden ist als ursprünglich erwartet. Man hätte aber schon davon ausgehen können müssen, dass das Innenministerium als Auftraggeber von vornherein etwa ausreichende Wahlkartenqualitätskontrollen durchführt. Das hat es ganz offensichtlich verabsäumt; die Missstände sind jedenfalls durch betroffene Wähler aufgezeigt worden.
… und dabei handelt es sich nicht um strafrechtliche, sondern politische Aspekte, die in letzter Konsequenz allesamt dem Innenministerium anzulasten sind.
Viel schwerer wiegen aber noch die Versäumnisse des Innenministeriums bei der ersten Stichwahl Ende Mai: Wie der Verfassungsgerichtshof aufgezeigt hat, ist die Wahl vom Boden- bis zum Neusiedlersee nicht nur von gut geschulten, sondern zu einem zu großen Teil auch von schlecht über ihre Aufgaben und Pflichten informierten Beamten und Beisitzenden organisiert worden. Und das musste zwangsläufig zu Vorschriftswidrigkeiten führen.
Dass das Bundespräsidenten-Wahlfiasko summa summarum längst jedes erträgliche Maß sprengt, ist wohl unbestritten: Das Wählervertrauen ist beschädigt; die Kandidaten können keine ordentlichen Kampagnen mehr durchführen etc. Und dabei handelt es sich nicht um strafrechtliche, sondern politische Aspekte, die in letzter Konsequenz allesamt dem Innenministerium anzulasten sind. Womit es in der Natur der Sache liegen sollte, dass der einzige, der die politische Verantwortung übernehmen kann, ebendies auch tut: Wolfgang Sobotka.