ANALYSE. Der Umgang mit Markus Marterbauer zeigt sehr schön, wie Medien versuchen, Politik zu machen – und dabei gerne auch danebenliegen.
„Linker Ökonom als potenzieller Sprengmeister“, titelte die „Kronen Zeitung“ im März, nachdem bekannt geworden war, dass Markus Marterbauer für die SPÖ Finanzminister wird. Heute kann man nur lachen darüber: Aus der Tatsache, dass Marterbauer als Person für Erbschafts- und Vermögenssteuern eintritt, kann man nicht ableiten, dass er als Minister vom ersten Tag an auch Stimmung für ebensolche macht, bis ÖVP und Neos die Regierungszusammenarbeit entnervt aufkündigen. Er selbst hat das damals gleich einmal aufgeklärt und betont, dass er sich zum ausverhandelten Programm bekenne. Vermögens- und Erbschaftssteuern sind nicht darin enthalten. Also seien sie für die nächsten fünf Jahre kein Thema.
Das Ganze bringt zwei Dinge zum Ausdruck: Die „Krone“ steht für einen Teil Österreichs, für den eine steuerliche Umverteilungsdebatte nicht einmal sein darf. Das kennt man zum Beispiel auch aus der Nationalbank: Sie verweigerte, wie unter dem Titel „Eine Art Zensur“ hier ausgeführt, zwei Mitarbeitern die Erlaubnis, auf einer Veranstaltung darüber zu reden. Das ist auch insofern seltsam, als gerade auch Gegenpositionen nützlich sind, um die eigene Position zu schärfen; oder andere Sichtweisen, um Aspekte zu erkennen, die man selbst vielleicht nicht auf dem Radar hat.
Es gibt wenig in Österreich, was ein solches Tabu darstellt wie Vermögenssteuern. Bei Leistungen für Flüchtlinge oder Arbeitslose ist das glatte Gegenteil der Fall. Über sie kann man nicht genug reden.
Zum anderen steht der eingangs erwähnte „Krone“-Titel zu Marterbauer auch für eine bezeichnende Fehleinschätzung: Allein die Tatsache, dass der Mann bisher für die Arbeiterkammer gearbeitet hat, hätte ein Hinweis darauf sein können, dass er zwar bestimmte Positionen hat, andererseits aber Sozialpartner ist und daher gerade nicht „potenzieller Sprengmeister“ sein kann.
Solche Fehleinschätzungen gibt es gerne auch in einem umgekehrten Sinne: Leute wie Karl-Heinz Grasser und Sebastian Kurz sind zunächst von vielen hochgeschrieben worden, wie man so sagt. Man ließ sie blenden. Kurz durfte behaupten, wie er eine große Steuerentlastung angeblich gegenfinanzieren würde; genauer ausführen, wie er zum Beispiel bei Förderungen fünf Milliarden Euro holen würde, musste er nicht. So lief es dann auch bei der Zusammenlegung von Sozialversicherungsträgern: Es dauerte lange, bis die sogenannte „Patientenmilliarde“, die sie bringen sollte, als Schmäh enttarnt war.
Marterbauer hat die Zuschreibung, „potenzieller Sprengmeister“ zu sein, nicht geschadet. Im Gegenteil, er hat allein dadurch schon gewonnen, dass er sie widerlegt hat. Dass er dem Ernst der Lage gerecht wird und nüchterne Zurückhaltung sein Ding ist.
Im Übrigen hat er bisher eher nach innen als nach außen gewirkt, beginnt erst mit der Budgetrede ein Prozess, bei dem es darum geht, eine breite Öffentlichkeit mitzunehmen. Muss er darüber hinaus zum Beispiel erst die Länder für Reformen gewinnen, die zu einer nachhaltigen Sanierung führen. Was bei weitem nicht nur von ihm abhängt, sondern auch von ihrer Bereitschaft zu Veränderung. Sie ist bisher verschwindend klein gewesen.