ANALYSE. Bürgerinnen und Bürger werden wieder einmal despektierlich behandelt – von einer Regierung, die auf vertrauensbildende Maßnahmen verzichtet.
Wenn es nicht um die Pandemie gehen würde, wäre es ja fast schon rührend: Frei nach dem Motto „Das Beste aus beiden Welten“ hat in der türkis-grünen Regierung jeder seine Präferenzen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) setzt gerade alles auf die Massentests. Sogar seinen Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat er damit überrascht. Aber Anschober machte sich nichts draus und ging dazu über, nach der Ampel, mit der er allein geblieben war, die Stopp-Corona-App zu bewerben.
Das sind bereits Voraussetzungen dafür, dass sowohl das eine als auch das andere scheitert: Kurz hat sich im Frühjahr für die App stark gemacht. Doch nicht einmal er, der die Gunst reichweitenstarker Medien hat, ist damit angekommen bei den Leuten. Also hat er es sein lassen. Um es auf den Punkt zu bringen: Es ist schön von Anschober, dass er sich nun darum bemüht; aber aussichtslos, weil das kein Anliegen der gesamten Regierung mehr ist.
Die Massentests sind das Projekt von Sebastian Kurz. Und bei ihnen wird ein durchschlagender Erfolg durch seinen Stil, Politik zu machen, gefährdet. Dass bei der Generalprobe in Annaberg-Lungötz (Salzburg) die Beteiligung bisher unter den Erwartungen geblieben ist, wirkt wie eine Bestätigung dafür (auch wenn der 2.000 Einwohner-Ort alles andere als repräsentativ ist und sich alles noch ändern kann).
Worum geht’s: Kurz hat sich nicht weiter mit Fragen zur zweiten Welle oder dem Aufbau (endlich einmal) funktionierender Contact-Tracing-Strukturen auseinandersetzen wollen; er hat all das sehr wirkungsvoll mit der Ankündigung von Massentests vom Tisch geräumt.
Viel schlimmer noch ist jedoch dies: Weil das so plötzlich sein musste, wirkt die Umsetzung alles andere als vertrauensbildend: Der Plan, die Tests unmittelbar vor Weihnachten durchzuführen, wurde von Ländern durchkreuzt, nachdem sie einen wichtigen Aspekt erkannt hatten: Die Möglichkeit, über die Feiertage „abgesondert“ zu werden, könnte sehr viele Leute davon anhalten, daran teilzunehmen.
Für Kurz ist das ganz offensichtlich keine Kategorie; an dieser Stelle unterstreicht er jedenfalls seinen Zugang und lässt über den Fernsehsender „Puls4“ wissen, dass es „schwer fahrlässig“ wäre, den Massentest zur Verhinderung einer Quarantäne zu verweigern. Unter uns: Das ist nicht falsch. Sagen darf es ein Politiker halt nicht. Nicht nur, weil es einer Drohung gleichkommt: Seine Kunst würde vielmehr darin bestehen, Bedenken gegen die Massentests gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Wie? Zum Beispiel, indem nicht nur ein Massentest-Termin fixiert wird, der als bloße Momentaufnahme längerfristig ja von begrenzter Wirkung ist; sondern dass zumindest ein Plan für – etwa – Massentest-Termine alle paar Wochen vorgelegt wird. Oder dass – im Sinne eines noch immer unerfüllten Appells von Bundespräsident Alexander Van der Bellen vom 2. November – die Kapazitäten für Kontaktnachverfolgungen bei Infizierten endlich so aufgestellt werden, dass sie bei der nächsten Welle nicht gleich wieder zusammenbrechen.
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