„Rückschritt in die Mitte des 20. Jahrhunderts“

BERICHT. Vorarlberger Kinderdorf kritisiert Mindestsicherungsreform außerordentlich heftig.

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BERICHT. Vorarlberger Kinderdorf kritisiert Mindestsicherungsreform außerordentlich heftig.

„Eine bundesweite Sozialgesetzgebung muss zum Ziel haben, Armut und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen, im besten Fall zu verhindern. Besonders schützenswerte Bevölkerungsgruppen wie Kinder und Jugendliche aber auch Menschen, die aufgrund ihrer besonderen Lebenslage wie zum Beispiel ihres Alters oder einer Beeinträchtigung nicht oder nicht mehr auf ihre eigenen Kräfte bauen können, müssen von der Solidargemeinschaft aufgefangen werden“, hält das Vorarlberger Kinderdorf in einer offiziellen Stellungnahme zur Mindestsicherungsreform fest, um schließlich Kritik daran zu üben, wie sie außergewöhnlich ist.

Nicht nur, dass die Gefahr bestehe, dass „bereits bestehende Notlagen verschärft werden“. Laut dem Vorarlberg Kinderdorf gibt es ganz grundsätzlich eine bedenkliche Stoßrichtung: „Als bereits seit 1951 bestehende Einrichtung der freien Jugendwohlfahrtspflege nehmen wir mit Bestürzung Rückschritte in der Sozialgesetzgebung in die Mitte des vorigen Jahrhunderts wahr.“

Die Regelungen baiserten weitestgehend auf den reichsdeutschen Fürsorgebestimmungen“.

In seiner Einschätzung beruft sich das Kinderdorf auf einen Text des Sozial- und Wirtschaftshistorikers Gerhard Melinz: „Zwischen 1948 und 1950 wurden erst einmal landesgesetzliche Regelungen verabschiedet, die weitestgehend auf den reichsdeutschen Fürsorgebestimmungen basierten. Es wurde weiterhin überall zwischen „allgemeiner“ und „gehobener“ Fürsorge differenziert, was sich in unterschiedlichen Richtsatzhöhen manifestierte. Der Richtsatz der allgemeinen Fürsorge fand zum Beispiel „Anwendung auf Staatenlose, Ausländer, arbeitsscheue und unwirtschaftliche Personen sowie solche, die den berechtigten Anordnungen der zuständigen Stellen zuwiderhandeln. Für alle übrigen Personen sowie für deutsche Staatsangehörige und Volksdeutsche galt der Richtsatz der gehobenen Fürsorge …“

Erst zu Beginn der 1970 Jahre wurden diese diskriminierenden Regelungen laut dem Vorarlberger Kinderdorf „eingestampft, die Grundlagen für eine ausgewogene, neu ausgerichtete „Sozialhilfe“ wurden geschaffen. „Sozialhilfe ist die staatliche Hilfe zur Führung eines menschwürdigen Lebens“ so der damalige Leitgedanke. Kürzungen waren ausschließlich bei groben Verstößen gegen die frühere Gesetzeslage und niemals bei Kindern und Familien vorgesehen.“

Das Vorarlberger Kinderdorf bezeichnet sich selbst als „gemeinnützige, private, überkonfessionelle und parteiunabhängige Dienstleistungseinrichtung, die in einen Verein sowie eine GmbH gegliedert ist“: „Als Kompetenzzentrum für die Anliegen von Kindern, Jugendlichen und deren Eltern sind wir ein verlässlicher und innovativer Partner im Kinder- und Jugendhilfesystem in Vorarlberg.“

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