ANALYSE. Wer Expertenrat und -kritik unterbindet, tut sich selbst nichts Gutes. Ganz im Gegenteil.
Man darf schon gespannt sein auf die Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Justizministeriums zum Begutachtungsentwurf für ein Standortentwicklungsgesetz: Teilt er beispielsweise die Überzeugung der Juristen der Vorarlberger Landesregierung, dass das Werk eher verfassungs- und europarechtswidrig ist? Zumal das im äußersten Westen ja keine böswillige Oppositionstruppe ist, wäre es naheliegend, dass der Verfassungsdienst zumindest Anmerkungen, um nicht zu sagen Klarstellungen liefert.
Sicher ist das aber nicht: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Textes läuft die Begutachtungsfrist zwar noch und es liegt auch noch keine solche Stellungnahme vor. In den vergangenen Monaten hat man aber schon erlebt, dass derlei im Sinne des „Message Control“ unterbunden worden ist: Eine Stellungnahme des Finanzministeriums, wonach aus der Verankerung des Wirtschaftsstandorts in der Verfassung ein Zielkonflikt entstehen könnte ebenso, wie die Warnung des Außenamts, wonach die Indexierung der Familienbeihilfe europarechtlich problematisch ist. Der „Standard“ dokumentierte, dass beide Stellungnahmen umgehend zurückgezogen worden sind.
Wie von Geisterhand. Was unterhaltsam, aber nicht lustig ist. Vor allem für die Regierung nicht: Sie baut sich da, bildlich gesprochen, ein Minenfeld. Bringt sich also selbst in Gefahr. Versprechen, wie die Kürzung der Familienbeihilfe für EU-Mitbürger, einhalten zu wollen, ist das eine. Der Preis könnte am Ende jedoch extrem hoch sein: In Form eines Höchstgerichtserkenntnisses nämlich, das bestätigt, was viele Experten eh schon immer gesagt haben; dass die Kürzung nicht geht – und daher aufzuheben ist.
Motto: Sie machen viel Stimmung, bringen aber keine ordentlichen Gesetze zusammen.
Zeigen sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Co. nichtsdestotrotz beratungsresistent, könnte sich so etwas noch dazu häufen. Womit weit über notorische Regierungskritiker hinaus der Eindruck einer gewissen Inkompetenz entstehen würde. Motto: Sie machen viel Stimmung, bringen aber keine ordentlichen Gesetze zusammen.
Ja, Reformieren wollen und auch „wasserdichte“ Bestimmungen erstellen, ist eine Kunst. Umso verhängnisvoller könnte es werden, dass die politische Führung in den Ressorts über die Generalsekretäre zuletzt massiv gestärkt worden ist; und zwar auf Kosten der Beamtenschaft. Das ist eine zweischneidige Sache, die sich rächen kann: Man kann über die Beamtenschaft viel sagen, ganz sicher aber nicht, dass darin keine Expertise zu vielen Fragen anzutreffen sei. Das wäre falsch, das Gegenteil davon ist korrekt: Wer klug ist, nützt diese Expertise daher, um sich die größten Peinlichkeiten zu ersparen.
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