ANALYSE. Einmalzahlungen für Arbeitslose, Selbstständige und Familien sind nicht nur aus der Not geboren. Dahinter steckt System.
Gefühlsmäßig ist vielen nicht aufgefallen, welche Zäsur da im März stattgefunden hat. Nachdem klar gewesen war, welche Dimensionen COVID-19 erreichen könnte, wurde das Pandemiegesetz 1950 ruckzuck geändert. Damit wurde sichergestellt, dass der Verdienstentgang, der Unternehmen aus den weitreichenden Beschränkungen erwachsen ist, nicht mehr grundsätzlich aus dem „Bundesschatz“ ersetzt wird. Unternehmen wurden vielmehr zu Bittstellern diverser Unterstützungen erklärt. Freilich: Man könnte einwenden, dass das nötig war, um das Budget nicht zu überfordern. Immerhin waren diese Dimensionen ja schwer absehbar. Andererseits: Wenn Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ohnehin die Losung „Koste es, was es wolle“ ausgegeben haben, ist dieser Einwand schon nicht mehr ganz so überzeugend.
Der Punkt ist, dass hier dem Bürger einmal mehr das Recht ausgegangen ist – und dass das unbeirrt fortgesetzt wird. Zwei Beispiele: Seit Jahren gibt es politische Bekenntnisse für eine Reform der Presseförderung. Dazu gekommen ist es unter rot-schwarzer Führung genauso wenig wie bisher unter türkis-grüner. These: Die Politik lässt sich vorhandene Subventionierungsmöglichkeiten nicht nehmen. Jene nämlich, die sie willkürlich steuern kann und die unmittelbare Abhängigkeitsverhältnisse zum Ziel haben.
Die Rede ist von „Regierungsinseraten“, die erstens das Volumen der gesetzlich geregelten Presseförderung weit überschreiten; und von denen zweitens einzelne Medien wirklich leben. Eine Corona-Sonderhilfe ändert wenig an diesem System, zumal sie zu einem größeren Teil dem Boulevard zugute kommt, der ohnehin schon mit Inseraten gepflegt wird. Merke: Beabsichtigt ist nicht die Sicherstellung demokratiepolitisch notwendiger Vielfalt und Kritik im Sinne des Souveräns, sondern die Gewährleistung einer Art Hofberichterstattung, die „Message Control“ und dergleichen fast schon überflüssig machen.
Der Bürger bekommt die Gutsherrenmethode durchaus auch selbst zu spüren. Wobei bemerkenswert ist, dass das gewissen Akteuren nicht einmal auffällt: Fürs Pressefoto hat Familienministerin Christine Aschbacher (ÖVP) bekanntlich eine angeblich notleidende Familie empfangen, um ihr Bargeld zu überreichen. Wahrscheinlich beabsichtigte Botschaft für die Öffentlichkeit: Ich helfe, wo’s nötig ist. Wahre Mitteilung: Hilfe läuft über mich, wer etwas braucht, darf zu mir kommen, ich bin da, wenn mir danach ist.
Abstrakter, aber doch, läuft das so nun auch bei Arbeitslosen: Sie sollen eine sogenannte Einmalzahlung von 450 Euro bekommen, die vergessen lässt, dass es sich beim Arbeitslosengeld um eine Versicherungsleistung und nicht um ein reines Regierungsgeschenk handelt.
Nachhaltig und prinzipiell wäre etwas ganz Anderes: Die Höhe des Arbeitslosengeldes könnte beispielsweise auch von Bezugsdauer und wirtschaftlicher Lage abhängig gemacht werden. Zunächst einmal würde es in jedem Fall mehr geben. Und dann würde es im Laufe der Zeit sinken, sofern Jobs verfügbar sind. Was derzeit bei einer halben Million Arbeitslosen und weniger als 60.000 offenen Stellen ja eher nicht der Fall ist.
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