ANALYSE. Ein Vergleich der Vertrauenswerte aktueller und ehemaliger Bundespolitiker liefert aufschlussreiche Ergebnisse.
Sebastian Kurz (ÖVP) kann zufrieden sein, wie er als Bundeskanzler und ÖVP-Obmann dasteht. In beiden Funktionen ist er nicht gefährdet. Im Gegenteil, auch wenn es seine Mitbewerber nicht gerne hören oder lesen werden, hat er die ersten 100 Tage als Regierungschef so gut geschlagen, dass Umfragen zufolge bei einem Urnengang am kommenden Sonntag auch seine Partei gegenüber der Nationalratswahl vom vergangenen Oktober eher zulegen würde.
All das kann jedoch darüber nicht hinwegtäuschen: Auch Kurz ist gewissermaßen ein Polarisierungsopfer. Den APA/OGM-Vertrauensindex für Bundespolitiker mag er mit 20 Punkten anführen; das ist der Saldo aus den Angaben „Vertraue ich“ und „Vertraue ich nicht“, die die Befragten (n=500) gemacht haben. Bundespräsident Alexander Van der Bellen folgt mit 16, die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) mit 13, Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) mit elf Punkten. Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) und Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) erreichen jeweils neun Punkte. Soweit die Top 5.
Das sind jedoch verhältnismäßig bescheidende Werte: In den Jahren 2003 bis 2016 gab es Politiker, die bis zu vier Mal höhere erreichten. Der damalige Bundespräsident Heinz Fischer kam 2005 auf 79 Punkte. Zwei Jahre davor oder danach schafften Außenministerin Benita Ferrero-Waldner 49, Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll 46, Außenministerin Ursula Plassnik 46 und Finanzminister Karl-Heinz Grasser 45 Punkte.
Zumal es absurd wäre, z.B. zu behaupten, Ferrero-Waldner sei bei den Leuten einst zweieinhalb Mal besser angekommen als es Kurz heute tut, kann man sich die massiven Unterschiede wohl auch so erklären: In der Bundespolitik ist es zu einer extremen Polarisierung gekommen. Kurz hat viele sehr große Anhänger, aber auch viele, die ihm misstrauen. Das reicht zwar für einen relativen Erfolg für ihn und seine Partei bei Nationalratswahlen, erschwert es ihm aber, so etwas wie ein Volkskanzler zu werden.
Ähnlich geht’s Bundespräsident Van der Bellen: Insbesondere Wähler, die 2016 seinen damaligen Gegenkandidaten Norbert Hofer (FPÖ) unterstützt haben, um ihn als früheren Grünen-Chef an der Staatsspitze zu verhindern, werden kaum noch zu seinen Sympathisanten werden.
Nicht unter die Top 5 der gegenwärtigen Bundespolitiker geschafft hat es SPÖ-Chef Chrstian Kern. Er polarisiert besonders stark. Unterm Strich erreicht er minus 3 Punkte. Dieser Saldo ergibt sich jedoch aus 44 Prozent Antworten „Vertraue ich“ und 47 Prozent „Vertrauche ich nicht“; das sind beides relativ hohe Werte. Bei Kurz handelt es sich um 56 „Vertraue ich“ und 36 „Vertraue ich nicht“, bei Van der Bellem um 53 „Vertraue ich“ und 37 „Vertraue ich nicht“. Bei Bures, die beim Saldo wie erwähnt auf Platz drei kommt, sind es schon nur noch 41 „Vertraue ich“ und 28 „Vertrauch ich nicht“.
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