ANALYSE. Die Regierung will nur das ändern, was aufgrund eines VfGH-Erkenntnisses unbedingt sein muss. Warum das eine gefährliche Drohung ist.
Schwarz-Rot-Pink demonstriert Fleiß. Jede Woche ein neues Projekt. Aktuell steht eine ORF-Gremienreform auf dem Programm, Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) spricht laut „Standard“ als zuständiger Medienminister von einer „Entpolitisierung“. In Wirklichkeit solle allerdings nur geändert werden, was aufgrund eines VfGH-Erkenntnisses unbedingt geändert werden müsse. So werde die Regierung künftig nicht mehr neun, sondern sechs Stiftungsräte nominieren. Für Babler sei das Thema Gremienreform damit auch schon erledigt.
Das ist insofern bemerkenswert, als laut Regierungsprogramm zwei Reformschritte vorgesehen sind: Zunächst jener, der jetzt fixiert wird und dann eine Gesamtreform des ORF, die ausdrücklich auch eine weitergehende Gremienreform enthält. Zitat: „Umsetzung einer Gremienreform im Rahmen eines breit angelegten Prozesses unter folgenden Gesichtspunkten: Mehr Bürgerbeteiligung. Vielfältige Fachexpertise. Verstärkte Unabhängigkeit der Gremien. Stärkung des Publikumsrates.“
Wobei man nichts mehr neu erfinden müsste, sondern alles zusammen gleich in einer großen Gremienreform machen könnte. Dass Parteien bisher immer wieder Leute in den Stiftungsrat, also das oberste Aufsichtsgremium des ORF, entsenden, die dort dann de facto in ihrem Auftrag tätig sind, ja sich streng fraktionell in „Freundeskreisen“ organisieren, ist ein bekanntes Problem.
Daher hat sich zum Beispiel der „Presseclub Concordia“ auch längst die Arbeit gemacht, Reformvorschläge zu entwickeln; sie müssten nur gelesen werden: „Es wäre unrealistisch zu erwarten, dass ein Aufsichtsorgan seine Rolle als Garant der Unabhängigkeit erfüllt, wenn es nicht selbst unabhängig und ausgewogen oder pluralistisch zusammengesetzt ist“, heißt es da beispielsweise: „Insbesondere muss verhindert werden, dass politische Parteien einen bestimmenden Einfluss in diesen Gremien gewinnen.“ Also sollten die „Freundeskreise“ abgeschafft und „Schutzmechanismen gegen parteidominierte Mehrheiten“ eingeführt werden.
Der Stiftungsrat sollte laut „Concordia“ als Aufsichtsrat „mit geringerer Mitgliederzahl und als Gremium aus politikfernen ExpertInnen mit hoher individueller Reputation sowie ausgewiesener und nachvollziehbarer Wirtschafts-, Digitalisierungs- und Medienexpertise“ organisiert werden. Im Übrigen solle für journalistische Expertise in dem Gremium gesorgt werden.
Darauf würde es jetzt, im Jahr 2025, ankommen: Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie lange diese Regierung hält. Man kann nicht ausschließen, dass die nächste von Herbert Kickl (FPÖ) geführt wird, der mit seinen Plänen ernstmacht und den ORF zu einem Grundfunk zerschlägt, der nicht mehr durch die Haushaltsabgabe von allen Österreichern, sondern über Steuermittel finanziert, auf denen ein (politischer) Finanzminister die Hand hat; mit der Folge, dass aus dem ORF nicht nur ein Grund-, sondern ein Kicklfunk wird – frei nach den Verhältnissen, die sich der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban in seinem Land eingerichtet hat.
Gerade weil man weiß, dass das alles drohen könnte, wäre es angebracht, vorzubauen, so lange es möglich ist bzw. so früh es geht, damit sich zum Beispiel ein neuer Stiftungsrat etablieren kann. Das dauert.