ANALYSE. Medien stehen gerade in der Coronakrise mehrfach unter Druck – politisch in einer unerträglichen Art und Weise.
Hubert Patterer, Chefredakteur der „Kleinen Zeitung“, berichtete vergangenen Freitag in der „Morgenpost“, einem Newsletter, von einer Auseinandersetzung, die er mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gehabt habe: Kurz hatte demnach nicht viel Wichtigeres zu tun, als sich persönlich über die mediale Darstellung seines Besuchs im Kleinwalsertal zu empören. „Er hat sich mehrmals am Telefon gemeldet“, so Patterer. Immerhin: Patterer erinnerte die Leserinnen und Leser an einen Leitspruch das Blattes, wonach es nicht schreibe, um zu gefallen, sondern, so die wohl beabsichtigte Botschaft, was ist.
Diese Geschichte ist noch einmal gut ausgegangen. Andererseits hat sie auch etwas Alarmierendes, wenn man sie in einem größeren Kontext sieht: Dass ein Kanzler zum Telefon greift, um einem Journalist gegenüber Unmut zu äußern, ist grundsätzlich nichts Neues. Das ist leider österreichisch. In Zeiten wie diesen trifft es jedoch auf Vertreter einer Branche, die nicht selbstverständlich so selbstbewusst auftreten wie Patterer. Ganz im Gegenteil.
Die Corona- ist zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht auch eine Medienkrise: Zeitungen, Radio- und Fernsehsender leben zu einem guten Teil von Werbung. Und Werbung gibt es plötzlich viel weniger. Also sind die Einnahmen eingebrochen. Eine verbreitete Antwort darauf lautet Kurzarbeit: Journalisten, die sich ihrer Zukunft nicht sicher sein können und die nur noch Teilzeit arbeiten – sich also nicht mehr permanent mit der Politik befassen. Das ist ihrem Tun nicht zuträglich. Das ist das eine.
Das andere: Die Regierung vergibt eine sogenannte Coronaförderung. Das ist quasi eine Nothilfe für Medien. Die politisch Verantwortung dafür liegt im Kanzleramt. Bei Sebastian Kurz. Womit sich der Kreis schließt. Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht: Das kann an dieser Stelle keinem Medium unterstellt werden; allein schon, dass das aber immer irgendwo mitschwingen könnte, ist ein Problem.
Die vierte Gewalt im Staat kommt von mehreren Seiten unter Druck: Es wird ihr beispielsweise schwer gemacht, entscheidende Fakten zum Coronavirus zu liefern. So werden, wie an dieser Stelle schon mehrfach dargelegt, nur wenig aussagekräftige Daten veröffentlicht. Studien, denen zufolge angeblich 100.000 Tote zu befürchten sind, bleiben überhaupt geheim. Die „Statistik Austria“ muss Veröffentlichtungen vorab dem Kanzleramt vorlegen, wie „Der Standard“ soeben enthüllte: Das untergräbt die Vertrauenswürdigkeit dieser „Fakten-Instanz“. Man kann nicht davon ausgehen, dass auch Dinge bekannt werden, die der Regierung missfallen; man muss vielmehr das Gegenteil befürchten. Pikant: Kurz hatte einst explizit die Abschaffung des Amtsgeheimnisses bzw. die Einführung von Informationsfreiheit gefordert. Nicht der Bürger sollte gläsern sein, sonder der Staat.
Das Land Tirol hat dem Nachrichtenmagazin „profil“ am Wochenende ein bemerkenswertes Ultimatum gestellt: Es sei aufgefordert, eine Stellungnahme zu einer angeblich verzerrten Darstellung „innerhalb von 24 Stunden“ zu veröffentlichen. Und wenn nicht? Gibt’s dann Selbstjustiz? Werden dann Inserate gestrichen? Die Konsequenzen bleiben offen, der Geruch ist übel: Tirol mag im Westen liegen, solche Wildwestmethoden haben in einem demokratischen Rechtsstaat jedoch nichts zu suchen. Wie der Name schon sagt, hätte das Land rechtliche Möglichkeiten, einzuschreiten, wenn es sich unfair behandelt fühlt (und das ist gut so, weil auch Medien keine unangreifbare Instanz sein dürfen). Aber so halbseiden?
Mehr und mehr im Kommen sind auch gewisse Trump-Elemente zur Diskreditierung der vierten Gewalt: Sebastian Kurz hat auf die Kritik an seinem Kleinwalsertal-Auftritt zuletzt ausschließlich damit reagiert, dass er Bevölkerung und Medien vorwarf, sich nicht an Abstandsregelungen gehalten zu haben. Klar, den Bildern nach ist das absolut korrekt. Zumal Kurz über seine eigene Rolle bei dem Ereignis aber so gar nicht reflektiert, blieb allein der Versuch übrig, Medien in ihrer Glaubwürdigkeit zu untergraben. Motto: „Diejenigen, die mir vorwerfen, gegen Vorschriften zu verstoßen, verstoßen genau gegen diese Vorschriften.“
Die Fake-News-Keule darf nicht fehlen. dieSubstanz.at hat Anfang Mai darüber geschrieben, dass Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer das Bundesratsveto gegen ein Coronapaket in einem Interview mit der „Tiroler Tageszeitung“ als „zynischen Sabotageakt“ bezeichnete. Auf Twitter reagierte sie, dass sich das nicht auf das Veto, sondern die Blockade eines Sitzungstermins bezogen habe. Zur Erwiderung, dass das aber so berichtet worden sei, erklärte sie: „ja, die APA dazu war falsch, hab’s zu spät gesehen und nicht korrigieren können.“ Das war ein schwerwiegender Vorwurf gegen die Agentur. Nachvollziehbar ist er nicht (siehe nachfolgenden Screenshot mit dem Wortlaut des TT-Interviews). Aber durchschaubar.
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