#Maurer Moser unterschätzt da was

ANALYSE. Nach dem Richter provoziert nun auch noch der Justizminister einen Aufstand. Zu viele Frauen sind Opfer sexueller Belästigung. 

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ANALYSE. Nach dem Richter provoziert nun auch noch der Justizminister einen Aufstand. Zu viele Frauen sind Opfer sexueller Belästigung.

Ob Justizminister Josef Moser (ÖVP) spürt, was da gerade abgeht? Eher nicht. Zwar sieht er nach der nicht rechtskräftigen Verurteilung der Ex-Grünen-Mandarin Sigrid Maurer eine Lücke im Gesetz, will aber keine Anlassgesetzgebung durchführen. Diese Reaktion ist eine Provokation. Moser hätte zumindest eine ernsthafte und umgehende Auseinandersetzung mit der Problematik ankündigen müssen, als würde es nichts Wichtigeres für ihn geben. So aber sollte er sich nicht wundern, wenn es jetzt erst recht zu einem Aufstand kommt.

Mehr Selbstdemütigung geht nicht. Aber man lässt ihr ja keine andere Wahl.

„Belästigt, verklagt, verurteilt“ titelte „Spiegel Online“ ziemlich treffend, während Maurer nun öffentlich das tut, was ihr der Richter quasi auferlegt hat: Sie outet einen Hassposter nicht nur, sondern ersucht ihn höflich, mitzuteilen, ob die wüste Message wirklich von ihm komme. Mehr Selbstdemütigung geht nicht. Aber man lässt ihr ja keine andere Wahl.

Damit ist Sigrid Maurer auf dem besten Weg, sich zur Vorkämpferin all jener Frauen zu machen, die ebenfalls sexuell belästigt worden sind oder weiterhin werden, aber keinen anderen Weg sehen, als das still zu erleiden. Durch die Art und Weise, wie Maurer nun vorgeht, macht sie den Protest gegen das offensichtliche Unrecht nur noch wirkungsvoller.

Hätte Moser politisches Gespür, könnte er sich ausrechnen, was kommt. 

Würde Moser über ein Gespür in gesellschaftlichen Fragen verfügen, könnte er sich ausrechnen, dass es zu einer Solidarisierungswelle mit Maurer kommt, wie sie ziemlich einzigartig ist: Sexuelle Belästigung geht bei weitem nicht nur von Asylwerbern aus, wie bestimmte Parteien vermitteln wollen. Dazu ist sie zu alltäglich, sind zu viele Frauen betroffen – und sie bekommen nun endlich eine eindrucksvolle Gelegenheit, sich zu erheben.

Eine Ahnung vom Ausmaß der sexuellen Belästigung bekommt man, wenn man österreichische Studien dazu googelt:

  • Auf Basis von Interviews mit Experten und Gesprächen in Fokusgruppen heißt es in einem AK-Papier: „Sexuelle Belästigung gehört für die meisten der befragten jungen Frauen zum Alltag, sei es auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Fitnessstudio, in Lokalen. Man habe sich schon fast an das Nachpfeifen gewöhnt, an Bemerkungen über das Aussehen oder anzügliche Angebote, bis hin zu scheinbar zufälligem Körperkontakt in gedrängten Räumen und eindeutigen körperlichen Übergriffen wie Berührungen von Po oder Brust.“
  • Das Problem fängt ganz offensichtlich früh an und ist besonders im Internet präsent. Das Institut für Jugendforschung berichtet: „27% der 11- bis 18-Jährigen haben mindestens schon einmal sexuelle Belästigung im Internet erlebt. Dies trifft auf 40% der weiblichen und 15% der männlichen 11- bis 18-Jährigen zu.“
  • Das „market“-Institut hat in einer Umfrage im vergangenen November erhoben, dass insgesamt 43 Prozent der Frauen schon einmal Opfer sexueller Belästigung geworden sind. Weitere elf Prozent wollten sich nicht äußern dazu (siehe Grafik). Bleibt eine Minderheit, die ausdrücklich noch nicht Opfer geworden ist. Wobei jede Person für sich beurteilte, was sexuelle Belästigung bedeutet. Für jeweils mehr als 90 Prozent der Frauen zählten jedenfalls Berührungen der Brust oder im Schritt dazu.

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