Kurz in der blauen Stimmungsfalle

ANALYSE. FPÖ-getriebene Migrationspolitik mag noch immer mehrheitsfähig sein. Sie widerspricht jedoch zunehmend auch Wirtschaftsinteressen. 

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ANALYSE. FPÖ-getriebene Migrationspolitik mag noch immer mehrheitsfähig sein. Sie widerspricht jedoch zunehmend auch Wirtschaftsinteressen.

Vielleicht leiden gewisse Politiker unter einer gewissen Präpotenz; sie bringen eine solche jedenfalls zum Ausdruck: Wie Flüchtlinge sind Migranten demnach unqualifizierte Wesen, die nur nach Österreich kommen, um gewisse Sozialleistungen auszunützen. Also sprechen sie sich – im Sinne des freiheitlichen Wahlprogramms – gegen jegliche Zuwanderung aus, lehnen den UN-Migrationspakt ab oder planen, denen, die trotzdem kommen, in den ersten Jahren überhaupt keine Unterstützungen zu gewähren; das wird von der schwarz-blauen Regierung praktiziert. Gut möglich, dass das wirkt – und eines Tages wirklich niemand mehr kommt. Dann aber hat Österreich ein veritables Problem.

Zunächst jedoch zurück zum eingangs geäußerten Präpotenz-Verdacht: Sehr wahrscheinlich täuscht diese Politik darüber hinweg, dass in der Vergangenheit auch sehr viele Hochqualifizierte nach Österreich zugewandert sind. Der Akademiker-Anteil beträgt unter Menschen mit Migrationshintergrund jedenfalls 18,6 Prozent und ist damit höher als unter Nicht-Migranten (16,4 Prozent). Soll heißen: Selbst wenn man Migrationspolitik abseits aller moralischen oder humanitären Dimensionen betreibt, würde es sehr gute Gründe dafür geben, eine differenzierte zu machen.

Das jedoch ist out: Wer – wie Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) – sagt, dass Österreich kein Zuwanderungsland sei, schließt auch die hochqualifizierten Migranten aus. Und wer den Zugang zu Sozialleistungen auch ihnen aus Prinzip ein paar Jahre lang verweigert, teilt ihnen mit, dass sie unter gar keinen Umständen auf Solidarität zählen könnten; ja, nicht einmal dann, wenn sie zuvor noch so viel Steuern und Beiträge eingezahlt haben und selbstverständlich nie die Absicht hatten, irgendetwas auszunützen.

Man kann davon ausgehen, dass solche Menschen einen großen Bogen um Österreich machen. Im globalen Wettbewerb um die Besten der Besten gibt es mit Sicherheit einige Länder, die attraktiver sind. Freiheitliche Politik wird das erleichtert zur Kenntnis nehmen, doch der Wirtschaftsstandort Rot-Weiß-Rot wird so im Laufe der Zeit geschwächt.

Was nützen der Wirtschaft 12-Stunden-Tag und steuerliche Entlastungen, wenn sie solche Nachteile im internationalen Wettstreit um Fachkräfte bekommen? 

Womit wir bei der ÖVP und ihrem Chef, Kanzler Sebastian Kurz, angelangt wären: Gerade die Wirtschaft hat große Hoffnungen in ihn gesetzt. Was aber nützt es ihr, wenn er ihr z.B. den 12-Stunden-Tag und die eine oder andere Entlastung durchsetzt, aber, von Stimmungen und dem Koalitionspartner getrieben, solche Nachteile im internationalen Wettstreit um Fachkräfte beschert?

Diese blaue Politik, die auch zur schwarzen bzw. türkisen geworden ist, ist so extrem, dass sie am Ende großen Schaden anrichtet: Sie ist nicht einmal dazu in der Lage, das Selbstverständliche zu betreiben – nämlich eine rechtlich saubere und von Standortinteressen geleitete Migrationspolitik zu betreiben. Lieber ist ihr gar keine Zuwanderung.

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