Kriegserklärung an Journalismus

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ANALYSE. ÖVP und Grüne wollen Medien noch stärker mit Inseraten eindecken. Das hat weder etwas mit sachlichem Informationsbedarf noch mit nötiger Förderung zu tun.

Budgetär ist offenbar eh schon fast alles egal. Defizite explodieren, „Sparen im System“ ist abgesagt: Die Bundesregierung, die von ÖVP und Grünen gebildet wird, hat gerade zwei kostspielige Projekte ausgeschrieben, die der „Message Control“ dienen: Zum einen sogenannte „Kreativagenturleistungen“ um bis zu 30 Millionen Euro in den kommenden vier Jahren; und zum anderen einen Werbeetat über bis zu 180 Millionen Euro bis 2024.

Wobei erst gar nicht versucht wird, zu verbergen, dass es hier nicht um übergeordnete Interessen geht: Beworben werden soll ausdrücklich „das Beste aus beiden Welten“. Viel Türkises und ein bisschen Grünes also, wie es dem Arbeitsübereinkommen der Parteien von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) entspricht. Praktischer Nebeneffekt: Wirkungsvoll umgesetzt ersparen sich sie sich Teile der nächsten Nationalratswahlkampagne.

Vor allem aber handelt es sich um eine Kriegserklärung an Journalismus: Das ist hier bewusst so hart formuliert. Man darf nicht naiv sein. Den meisten Medien geht es in der Wirtschaftskrise alles andere als gut; das Werbegeschäft lässt zu wünschen übrig. Die Abhängigkeit von staatlichen Zuwendungen wächst. Und natürlich gibt es die Presseförderung von üblicherweise weniger als zehn Millionen Euro, die aufgrund der Krise nun immerhin aufgestockt worden ist; vorübergehend.

Diese Presseförderung, die auf gesetzlicher Grundlage nachvollziehbar aufgeteilt wird, ist im Vergleich zu den „Regierungsinseraten“ jedoch läppisch. Das Kanzleramt hat für sogenannte „Medienkooperationen“ nach Gutsherrenart, also willkürlich, allein im ersten Halbjahr 2020 knapp zehn Millionen Euro angegeben in der Medientransparenzdatenbank. Ein beträchtlicher Teil davon floss an den Boulevard, bei dem es ein Teil wiederum nicht so genau nimmt mit Journalismus, dem Ehrenkodex der österreichischen Presse und dergleichen (siehe Terrornacht von Wien).

Wie auch immer: ÖVP und Grüne gehen nicht her und vervielfachen die Medienförderung (= Presseförderung im weiteren Sinne). Nein, sie dehnen das Gutsherren-Unwesen aus. Dass zum Beispiel der „Falter“ zuletzt vergleichsweise leer ausgegangen ist bei gewissen Bundesministerien, lässt den Schluss zu, dass Kritik oder ganz einfach nur ernsthafter Journalismus nicht gerade zuträglich ist, um als Medium ein Inserat bzw. dringend nötige Einnahmen zu bekommen.

Man könnte auch davon schreiben, dass es hier darum geht, regierungsfreundlicher Hofberichterstattung zum Durchbruch zu verhelfen: Es gibt nicht viele Zeitungen, die es sich unter den gegenwärtigen Umständen konsequent leisten können und auch leisten, kritisch zu bleiben und nicht zu schreiben, was ein Kanzler gerne hätte, sondern was Sache ist.

Demokratiepolitisch wird das ernst: Man kann Medien zusperren; oder man kann auserwählte finanziell so sehr bevorzugen, dass die anderen einen Wettbewerbsnachteil haben, sofern sie wirtschaftlich überhaupt lebensfähig sind. ÖVP und Grüne verstärken Methode 2, die einst von Ex-Kanzler Werner Faymann (SPÖ) „erfunden“ worden ist.

Zu „Regierungsinseraten“ werden nicht nur Medienkooperationen von Kanzleramt und Ministerien gezählt, sondern von allen Gebietskörperschaften und Einrichtungen, die der Rechnungshofkontrolle unterliegen. Womit wir bei der neuerdings rot-pinken Stadt Wien angekommen wären: Sie wendet besonders viel für willkürliche Inseratengeschäfte auf. Im ersten Halbjahr waren es elf Millionen Euro. Ex-Neos-Chef Matthias Strolz hat derlei einmal als „strukturelle Korruption“ bezeichnet. Zurecht. Jetzt können SPÖ und Neos schwer protestieren; sie sollten eher vor der eigenen Türe kehren. Sprich: Es gibt eigentlich niemanden, der hier Opposition machen kann.

In Österreich haben die staatlichen Inseratengeschäfte ein Ausmaß erreicht, das für Demokratien sehr ungewöhnlich sein dürfte. Darauf lässt jedenfalls eine Untersuchung des Medienforschers Andy Kaltenbrunner schließen. Demnach wird in Deutschland pro Kopf etwa neun Mal weniger dafür aufgewendet.

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