ANALYSE. … und die Lust auf eine Ampel ist nach den Vorfällen in Wien bei Neos und Grünen nicht größer geworden.
Mitgefangen. Das sind nicht nur die Grünen auf Bundesebene immer wieder, wenn Türkise etwa eine Asylpolitik praktizieren, die ihnen gegen den Strich geht, sondern mehr und mehr auch die Neos in Wien: Die Geschäftsvorgänge der Wien Energie seien untragbar, das aktuelle Krisenmanagement des Unternehmens sei unzureichend und ihrer Kommunikation fehle jeglicher Willen zur Transparenz, schäumt Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos): „Dieses Schlamassel gehört natürlich im Detail aufgeklärt.“
Gemeint hat er nicht nur den Energieversorger, sondern auch den größeren Koalitionspartner, die SPÖ unter Führung von Bürgermeister Michael Ludwig, der die politische Letztverantwortung trägt und sich erst nach eineinhalb Tagen beschwichtigend zu den Vorfällen geäußert hat. Sagen oder bestätigen wird Wiederkehr das nicht. Es würde zu einem kritischen Punkt führen und zur Koalitionsfrage überleiten.
Neos und Grüne machen alles in allem schlechte Erfahrungen an der Seite der (ehemaligen) Großparteien. Die ÖVP macht es den Grünen etwa schwer, Akzente beim Klimaschutz zu setzen. Jeder Schritt muss hart erkämpft werden. In Wien geht es den Neos neben der SPÖ ähnlich, wenn es zum Beispiel um Transparenz geht. Für etwas kämpfen zu müssen, gehört grundsätzlich dazu. Einander leben zu lassen aber auch. Bei den „Großen“ ist das Verständnis dafür unterentwickelt.
Unter diesen Umständen und verstärkt durch die Sache „Wien Energie“ gibt es keine besonderen Anreize für Neos und Grüne, auf Bundesebene eine Ampel mit der SPÖ anzustreben. Im Gegenteil: Wer weiß, welche Leichen da noch im Keller liegen? Und eine nennenswerte Ausweitung von Transparenz und Klimaschutz (Stichwort CO2-Bepreisung) ist auch nicht zu haben. Letzteres geht in absehbarer Zeit sogar eher mit Türkisen als mit Pamela Rendi-Wagner.
Grüne sind in den vergangenen Wochen verstärkt auf Konfrontationskurs zu den Sozialdemokraten gegangen. Wegen der Verzögerung von Mellach und anderen Geschichten. Da schwingt viel mit: In Wien sind sie vor zwei Jahren von Roten aus der Koalition geschmissen worden, bundesweite Umfragen ließen zuletzt darauf schließen, dass sie Wähler an die SPÖ verlieren könnten und dieser daher mit zu Werten um die 30 Prozent verhelfen. Das könnte sich jetzt wieder ändern infolge der Probleme, mit denen die SPÖ in Wien konfrontiert ist.
Alternativen zu einer Fortsetzung mit der ÖVP sind für Vizekanzler Werner Kogler alles in allem nicht besser geworden, sondern eher schlechter. Und in der Volkspartei kann Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) darauf setzen, dass sich die Umfragewerte jetzt dann endlich stabilisieren. Damit würden auch Gerüchte wegfallen, dass er bald abgelöst werde. Genauso wie Neuwahlspekulationen: In der ÖVP hätte niemand einen Grund, die Nerven wegzuschmeißen und zu glauben, es auf schier Unmögliches anlegen zu müssen; nämlich es mit einem vierten Kanzler in dieser Legislaturperiode zu versuchen.