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ANALYSE. Immer mehr spricht dafür, dass es Österreich auf einen zweiten Lockdown hinauslaufen lässt.

Im März ist Österreich früher als andere Länder eingeschritten, um eine unkontrollierte Ausbreitung von COVID-19 zu stoppen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) war stolz drauf. Diesmal passiert nichts: In Vorarlberg, Tirol und Salzburg ist der Zuwachs bestätigter Infektionen pro 100.000 Einwohner und Woche bereits auf mehr als 300 gesprungen. 400 sind absehbar, 500 scheinen nur eine Frage der Zeit zu sein. Was das heißt: In praktisch jeder Gasse lebt bereits jemand, der infiziert ist. Was für sich genommen noch kein größeres Problem ist. Schwerwiegend ist, dass auch immer mehr Spitalspatienten zusammenkommen, die nicht nur Betten brauchen, sondern auch eine sehr aufwendige, personalintensive Behandlung. Da sind Grenzen absehbar. Zumal „Contact Tracing“ in den erwähnten Ländern und darüber hinaus nur noch eingeschränkt möglich ist.

Auffallend in diesem Zusammenhang: Die Politik reagiert kaum oder gar nicht. Kein Landeshauptmann, der in einer Rede seine Bürgerinnen und Bürger über den Ernst der Lage informiert und wie sie sich am besten verhalten sollten (dabei wären es gerade die Landeshauptleute, die angeblich über sehr hoch Vertrauenswerte verfügen würden). Und auch keine Bundesregierung die einschreitet.

These: Hier lässt man es gezielt auf einen zweiten Lockdown ankommen. Die Schweiz ist ein paar Tage voraus mit dem Infektionsgeschehen und dort müssen westliche Kantone bereits das Militär zur Hilfe rufen. Die Regierung in Bern berät zudem über weitreichende Beschränkungen. Ähnlich in Deutschland, wo Kanzlerin Angela Merkel Medienberichten zufolge einen „Lockdown Light“ plant – „obwohl“ das Land in Bezug auf das Infektionsgeschehen mehrere Tage hinter Österreich zurückliegt, also noch besser dasteht.

Um nicht missverstanden zu werden: Das ist kein Plädoyer für einen Lockdown. Es geht darum, dass ein solcher eben unausweichlich gemacht wird. Was dafür spricht: Die erwähnte Zurückhaltung der Politik; sie lässt hier zu, dass sich quasi ein Feuer nur lange genug ausbreitet, damit sie irgendwann sagen kann, dass jetzt aber ein Großeinsatz alternativlos sei.

Die Provokation besteht darin, dass es keine einheitliche Regierungslinie mehr zur Bekämpfung der Pandemie gibt: Grüne tendieren zu eher milderen, wissenschaftlich fundierteren Methoden, Türkise mit Sebastian Kurz an der Spitze zum Hammer. Je länger nichts passiert, desto verlorener sind die Grünen; ja, sie können mit ihrem Zugang allmählich einpacken. Was vielleicht Kurz’sche Absicht ist. Wobei man natürlich auch dies berücksichtigen sollte: Beschränkungen sind eher durchsetzbar bei der Bevölkerung, wenn sie offenkundig unausweichlich sind. Alles andere würde einen ungleich größeren Kraftakt von Seiten der Politik voraussetzen.

Andere Länder haben sich jedenfalls besser auf das vorbereitet, was nun kommen könnte. In der Schweiz hat die Regierung beispielsweise ein Strategiepapier mit den Kantonen entwickelt. Das ist klug: Es gibt allen eine gewisse Orientierung und damit auch ein bisschen Planbarkeit. Vergleichbares gibt es in Österreich nicht. Ergebnis: Bund gegen Länder, türkise gegen grüne Bundesteile, trükise Länder an roten vorbei etc. Man könnte auch von Chaos sprechen. Die Bürger sind die Leidtragenden.

In der Schweiz ist dem erwähnten Strategiepapier zumindest eine Prioritätensetzung zu entnehmen: Erstens, eine „enge und vertrauensvolle Abstimmung von Bund und Kantonen“ ist unverzichtbar. Zweitens, oberstes Ziel ist es, „menschliche Opfer (schwere Krankheitsfälle und Todesfälle) zu verhindern und den wirtschaftlichen Schaden tief zu halten“. Drittens, eine „Einschränkung des öffentlichen Lebens wie im März/April 2020 soll verhindert werden“. Viertens: Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen sollen so lange wie möglich offen bleiben. Etc.

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