BERICHT. Zunächst habe die Finanzmarktaufsicht versagt, jetzt übertreibe sie es, so Leute wie Androsch und Zimmermann in einem neuen Buch.
Industriekapitäne gehen mit der Finanzmarktaufsicht (FMA), aber auch der damit verantwortlichen Politik in einem neuen Buch hart ins Gericht: Zunächst habe man den Finanzsektor blind gewähren lassen, jetzt übertreibe man es mit der Kontrolle, so Leute wie Hannes Androsch und Norbert Zimmermann im Interviewband „Auf der Überholspur“, den der Manager Herbert Cordt und dieSubstanz.at-Autor Gerd Millmann erstellt haben.
„In den 2000er-Jahren haben wir ein durchgehendes Versagen der Aufsichtsbehörden Notenbank, FMA und Finanzministerium zu beklagen“, so Androsch. Keine habe auf den Bankensektor und den Kapitalmarkt aufgepasst. Ergebnis: „Die Banken sind wegen der eigenen Ertragsschwäche nach Osten gewandert, das war zuerst ja auch erfolgreich und sie handelten so, als ob das Risiko abgeschafft worden wäre. Und das fällt uns jetzt auf den Kopf.“
Die Politik hat darauf ganz offensichtlich reagiert. Für Karl Sevelda, Vorstand der Raiffeisenbank International (RBI), ist sie dabei jedoch viel zu weit gegangen – und habe „das Kind mit dem Bade ausgeschüttet“, wie er meint: „Wir mussten eine eigene Abteilung einrichten, die nichts anderes tut, als den Auskunftsbedarf der EZB, der FMA und der OeNB abzudecken. Wir haben unser Risk Management und Risk Controlling von 1998 bis heute sicher vervierfacht, 307 Fulltime-Mitarbeiter sind heute bei uns dafür zuständig.“
„Ich kenne übrigens keinen einzigen Fall, in dem die FMA ein Finanzdebakel aufgezeigt oder gar verhindert hat – Stichwort Hypo Alpe Adria oder Alpine.“ Norbert Zimmermann
Norbert Zimmermann (Berndorf) bestätigt, Österreich habe „Heere von Kontrolleuren geschaffen, die völlig losgelöst vom wirtschaftlichen Geschehen vor sich hinwirken und gar nicht mehr eingefangen werden können. Sie haben, wie es für bürokratische Gebilde üblich ist, ein Eigenleben entwickelt, das die Politik gar nicht mehr steuern kann.“
Erschwerend kommt laut Zimmermann hinzu, dass etwa die FMA und die Prüfstelle für Rechnungslegung konkurrierend tätig seien und Unternehmen bisweilen unabhängig voneinander „innerhalb einiger Wochen“ zwei Mal checkten: „Wehren trauen sich die wenigsten Vorstände gegen diese Willkür, weil sie Angst vor negativen Konsequenzen durch die FMA haben.“ Betroffene Unternehmen würden sich unter diesen Umständen jedoch überlegen, „an welchen Börsenplätzen sie mit weniger Schikanen rechnen müssen als in Wien“, so Zimmermann. Nachsatz: „Ich kenne übrigens keinen einzigen Fall, in dem die FMA ein Finanzdebakel aufgezeigt oder gar verhindert hat – Stichwort Hypo Alpe Adria oder Alpine.“
> „Auf der Überholspur – Zeitzeugen über das Goldene Zeitalter der österreichischen Wirtschaft, vom Staatsvertrag bis heute.“ Von Herbert Cordt, Helmut Kramer und Gerd Millmann. Modeln-Verlag, 204 Seiten, 34,90 Euro