BERICHT. Regierung will alte Gesetze abschaffen. Oberlandesgericht Wien stößt sich an Wortwahl und warnt vor einer Verfassungswidrigkeit.
Die Bundesregierung möchte, dass der Nationalrat gut ein Drittel der Gesetze abschafft. Voraussetzung: Sie sind vor dem Jahr 2000 kundgemacht worden und werden nicht mehr angewendet. Das herauszufinden, ist jedoch schwierig. Und auch vor diesem HIntergrund meldet das Oberlandesgericht Wien nun schwerwiegende Bedenken an.
Zunächst einmal sehr grundsätzliche: „Die Erläuterungen nennen als Motive des Vorhabens den „Abbau überflüssig gewordener, veralteter Rechtsvorschriften”, eine „zielführende Bereinigung der Rechtsordnung” sowie das „Abwerfen überflüssigen Ballasts”, was – zumindest mit Blick auf die letztgenannte Formulierung – wenig Respekt vor der Rechtsordnung insgesamt ausdrückt“, kritisiert das Oberlandesgericht in einer Stellungnahme zum entsprechenden Begutachtungsentwurf.
Das setze „das ganze Vorhaben der Gefahr aus, insgesamt verfassungswidrig zu sein“.
Abgesehen davon solle man sich nicht vormachen: „Die Annahme, als Bürger nach dieser Rechtsbereinigung weniger Rechtsvorschriften beachten zu müssen als vorher, wäre ein grundlegender Irrtum. Die „Deregulierung” (verstanden als eine Verringerung der Zahl der zu beachtenden Regeln) sowie die „Reform” (verstanden als Änderung der zu beachtenden Regeln) fänden somit nur in den Archiven statt.“
Schwerwiegender freilich die OLG-Bedenken in einer anderen Hinsicht: In den Erläuterungen zum Begutachtungsentwurf werde ausdrücklich ein „Restrisiko“ eingeräumt, wonach versehentlich auch Gesetze beseitigt werden könnten, die sehr wohl noch gebracht werden. Dazu halten die Richter fest: „Die Möglichkeit, „versehentlich” Rechtsvorschriften aufzuheben, ohne dass dem Gesetzgebungsorgan dies überhaupt bewusst wird, ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar.“ Das setze „das ganze Vorhaben der Gefahr aus, insgesamt verfassungswidrig zu sein“.